Beim Zurückschauen auf die 50er und 60er Jahre kommt mir unweigerlich auch die Kleidung in den Sinn.
Geld für immer wieder Neues ist nicht vorhanden. Es gibt keine Möglichkeit, noch schnell was in einem Klamottenladen – für nahezu ein Trinkgeld wie heute – zu kaufen. Die Anschaffung von neuen Kleidern ist eine Investition, die gut überlegt sein will und auf die hin man sparen muss. Deshalb flickt man auch sehr viel. Ich erinnere mich daran, wie wir beispielsweise in der Handarbeitsschule lernen müssen, Socken zu stopfen.
Meine Mutter hat die Kleider für uns Kinder häufig selber genäht. Die Nähmaschine – eine Bernina Baujahr 1954 (die ich heute noch habe) – steht hinter der Türe in einer freien Ecke neben dem Kleiderschrank im Schlafzimmer meiner Eltern.
Ich habe mich gerade ans Sockenstopfen erinnert und da taucht auch die Kleiderordnung in der Schule auf: Hosen für Schülerinnen sind absolut verboten. Sie gelten für Mädchen als unseriös.
Aber nicht nur wadenlange Röcke sind Pflicht, sondern auch das Tragen von Schürzen. Man geht nicht ohne Schürze in die Schule! Und die muss sauber sein!
Bauchfrei, mit Ausschnitt und kurzen Röcken sind der Grund für einen Schulverweis.
Weil man zu den Kleidern Sorge tragen muss, gibt es sogenannte Ärmelschoner. Das sind eine Art Schläuche, die vom Handgelenk über die Ellenbogen gezogen werden. Am Handgelenk und am Oberarm werden sie mit Elastik zusammengehalten. Das Ekelhafte daran ist, dass das jeweils einschneidet und man rote, unangenehme Abdrücke bekommt.
Für die Klassenfoto jedoch zieht man sich schön an ohne Schürze. (siehe Foto oben)
Apropos «unangenehm»: Die gestrickten Strumpfhosen!
Werktags dunkelblau oder grau und sonntags weiss. Meine Geschwister und ich erinnern uns immer wieder mit einem Schaudern an diese kratzenden und «beissenden» Dinger!
Wir können es kaum erwarten, dann im Frühling, wenn der Pilatus bis zur Chrienseregg keinen Schnee mehr hat, Kniesocken tragen zu können. Allerdings auch gestrickt und mit einengenden Elastikbändern gehalten.
Aber mit der Erfindung der Strumpfhosen haben wir es in den 50er Jahren besser als die Kinder – Buben und Mädchen – in den 30er und 40er Jahren. Diese müssen noch sogenannte «Gschtältli» tragen.
In meinem ersten Stück «Koffer voller Erinnerungen, Kinder der 30er/40er Jahre» hat das eine Spielerin (Irmgard) eindrücklich vorgeführt. (siehe Foto)
Was mir gerade auch einfällt, ist ein besonderer Brauch, den es heute auch nicht mehr gibt. Bei einem Todesfall tragen alle schwarze Binden am Oberarm und durchwegs sehr dunkle Kleider. Es wird als völlig fehl am Platz empfunden, wenn man diese Trauerkleidung nicht trägt. Meistens ein Jahr lang.
Und dann die schönen Kleider!
Am Sonntag zieht man immer die Sonntagskleider an. Das gehört sich so. In den Gottesdienst zu gehen ist ein fester Bestandteil des Sonntags und dafür zieht man schöne Kleider an. Anschliessend wird zuhause ein besonderes Essen zubereitet und man nimmt sich Zeit dafür.
Nach dem Essen geht die ganze Familie gemeinsam auf einen Sonntagsspaziergang. Natürlich immer in den schönen Kleidern. Schlimm für mich ist einfach, dass man sich nicht frei bewegen kann, dass man immer wieder ermahnt wird, Sorge zu tragen, ruhig zu sein, sich gesittet zu benehmen. Dies alles ist für mich sehr schlimm.
Schöne Kleider zieht man aber nicht nur am Sonntag an, sondern auch für Konzerte, Theater, Museumsbesuche oder bei privaten Einladungen. Es heisst, sich für etwas schön zu kleiden, habe mit Respekt zu tun. Es bedeutet Wertschätzung für den Gastgeber oder die Künstler und deren Arbeit.
An die Mode für Männer kann ich mich nicht mehr erinnern: Nur, dass Krawatten zum normalen Alltag gehören und dass man Hüte trägt. Die werden dann jeweils zum Gruss gehoben oder man tippte nur kurz an den Rand, je nach Status der begrüssten Person.
Mir sind bequeme Kleider sehr wichtig. Das Einengende passt mir überhaupt nicht. Auch habe ich nie davon geträumt eine Prinzessin zu sein und verwöhnt zu werden. Ich bin lieber selbständig und selber verantwortlich.
Einmal hat meine Mutter mir ein rosarotes Prinzessinenkleid aus einer Art Tüll genäht (vermutlich will sie mir das Mädchenhafte damit näherbringen). Ich versuche es wirklich, ganz fest daran Freude zu haben, weil ich merke, wie wichtig es meiner Mutter ist und wie stolz sie ist.
Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre kommen die Petticoats auf. Ich weiss noch, wie ich unbedingt so einen Rock mit dem weitausladenden, steifen Unterrock haben will. Meine Mutter hat mir diesen Wunsch erfüllt.
Der Unterrock kann nicht hart genug sein und den Stoff darüber nicht weit genug geschwungen. Damit das auch funktioniert, legt man den Unterrock in Zuckerwasser und lässt ihn so trocknen und steif werden.
In den 60er Jahren sind hautenge Bluejeans, die gerade aufkommen, en mode. Damit sie ja eng genug anliegen, legt man sich in die Badewanne in eiskaltes Wasser und lässt dann alles an der Luft trocknen. Dass ich mich nie erkälte dabei, sehe ich heute als Wunder.
Ich hoffe, es tauchen auch bei Ihnen Erinnerungen an Kleidervorschriften und manchmal skurrile Modeerscheinungen auf.
Alles Liebe
Ihre Iris Minder
5 Kommentare
Genau so wars, und ich hatte meinen Spass beim Lesen. Danke vielmal!
Danke, Gertrud. Mir kommt gerade noch in den Sinn, dass Kleider und Schuhe aus Kostengründen immer zu gross gekauft wurden und man so “hineinwachsen” konnte oder eher musste.
Also wenn ich an die grauen Strumpfhosen denke welch meine Mutter auf ihrer Strickmaschine gestrickt hat beisst es mich enorm an den Beinen! Vorallem am Montagmorgen, bis am Freitag hat es dann lasgelassen. Ich war stolz auf mein Halbschürzli mit einem Pferderennen darauf! Ja es kommen viele auch schöne Erinnerungen auf.
Obwohl unsere Strumpfhosen nicht mehr selbst gestrickt waren, ist es auch mir so ergangen. Solange der Pilatus bis zur Chrienseregg Schnee hatte, war nicht an Kniesocken zu denken. Bei den heuteigen Temperaturen im Frühling undenkbar.
Liebe Iris, ja die Klamotten, das schöne beim Bauern war doch, die nicht mehr so schönen Kleider konnten wir auf der Arbeit austragen. Dafür hiess es dann am Sonntag, hüt isch Sundig u du leisch di
aständig ah. Da war es mir Werktags wieder wöhler, wenn es nach der Schule hiess: So angersch alege,
weil, die Schulkleider waren auch heilig aber nicht immer angenehm zum tragen, äbe, Strümpf u G’stäutli. E liebe Gruess, Hermann