Liebe Leserinnen
Liebe Leser
In meinem letzten Blogbeitrag habe ich über das Stück «Gschänkti Zyt», das Nadja Rothenbühler fürs Kindertheater BLITZ geschrieben hat, geschrieben. Als Grosi Therese darf ich dort zusammen mit Susi Reinhart als Schulfreundin Marianne Locher mitspielen. Die Proben laufen auf Hochtouren. Es ist eine riesige Freude zusammen mit den Kindern und unter der Leitung von Nadja spielen zu dürfen.
Handarbeit
Das Grosi Therese erinnert sich in diesem Stück an ihre Kindheit in den 50/60er Jahren. Es sind durchwegs meine eigenen Erinnerungen. So vieles kommt mir während der Proben wieder in den Sinn. Ich erinnere mich beispielsweise daran, dass man in meiner Kindheit, im Vergleich zu heute, sehr wenig Kleider im Schrank hatte. Wenn etwas kaputt ging, dann wurde es geflickt. Die jüngeren Geschwister haben oft die noch intakten Kleider der älteren austragen müssen. Im Handarbeiten, ein Fach nur für Mädchen (die Buben hatten Werken), lernten wir Risse in Kleidern flicken. Mit einem Stopfei aus Holz mussten wir auch Löcher in den Socken stopfen, mit Maschenstich. Man trug damals vor allem gestrickte Socken. Eine handarbeitliche Tätigkeit, die mir ganz besonders unbehaglich war. Die Nadeln klebten an den Händen. Die Maschen so zu verstricken, wurde deshalb zu einer zähen, mühsamen Tätigkeit. Wie mir das zuwider war! Es kam noch dazu, dass wir nicht etwa mit fröhlich bunter Wolle diese Socken stricken durften, nein, grau musste es sein.
Neue Kleider
Da neue Kleider sehr teuer waren und das Geld dafür oft nicht reichte, lernte meine Mutter nähen. So sass sie oft lange an der Nähmaschine, einer Bernina aus dem Jahr 1954, und kreierte für uns drei Kinder Röcke, Hosen, Strampelhosen und Schürzen. Schürzen deshalb, weil ich während der ersten drei Schuljahre Schürzen tragen musste. Ja, und Röcke. Hosen waren verboten. Die waren für Mädchen als unseriös verschrien. Übrigens: Die erwähnte Bernina habe ich noch immer. Man könnte immer noch mit ihr nähen, wenn ich es denn tun würde. Noch etwas kommt mir gerade in den Sinn. Damit man die Ärmel an den Pullovern in der Schule nicht zu sehr abnutzte, mussten wir Ärmelschoner tragen. Das war ein Schlauch aus Stoff, bei dem auf beiden Seiten ein Elastikband eingezogen wurde. Ich mochte diese Schoner überhaupt nicht, weil sie immer einschnitten. So wie ich mich erinnere, trug man damals vor allem Kleider aus Wolle und Baumwolle. Ein Blick auf eine Klassenfoto der dritten Klasse bestätigt es mir.
Darauf trugen einige sogar gestrickte Jupes. Vereinzelt gab es zwar Kleider aus Viskose und anderen Kunststoffen. Aber ich erinnere mich vor allem ans Gestrickte. Von den gestrickten Strumpfhosen habe ich ja bereits geschrieben. Wie die immer gekratzt hatten! Unmöglich! Oder die gestrickten Kniesocken, deren Elastikband ebenfalls dermassen einschnitten, dass man am Abend den roten Striemen unter dem Knie kaum mehr los wurde.
Schuhe
Ah ja, und Schuhe. Wenn die Sohlen abgelaufen waren, wurden sie neu besohlt. Man hat also auch Schuhe geflickt und nicht gleich fortgeworfen. Der Schuhmacher war ein sehr wichtiger Beruf. Turnschuhe, Sneakers, Trainers und wie die alle heissen, kannten wir nicht. Man hat feste Schuhe oder im Sommer Sandalen aus Leder getragen. Oft hat der Schuhmacher bei neuen Schuhen sogenannte Iseli an den Stellen befestigt, an denen man die Sohle besonders stark abgenutzt hatte. Das klapperte beim Gehen und immer wieder rutschte man wegen dieser Iseli aus.
Gegenstände und Ausverkauf
Wenn ein Gerät kaputt gegangen ist, dann hat man es flicken lassen. Das Flicken war damals um ein Vielfaches billiger als ein neues Gerät. Heute ist es ja gerade völlig umgekehrt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Geräte heute so hergestellt werden, dass sie nach einer bestimmten Zeit kaputt gehen. Abfall hat man in meiner Kindheit kaum produziert. Plastiksäcke, eingeschweisste Nahrungsmittel, Gebinde gab es kaum. Der Offenverkauf war das Normale.
Jetzt kommt mir noch das mit dem Ausverkauf in den Sinn: Ausverkauf gab es zweimal im Jahr, Ende Winter und Ende Sommer. Und so weit ich es beurteilen kann, handelte es sich wirklich nur um die Kleider, welche echte Ladenhüter waren und während der Saison nicht haben verkauft werden können. Heute ist das ganze Jahr Ausverkauf, Entschuldigung, Sale. Und es sind eher keine Ladenhüter, sondern extra für den Ausverkauf eingekaufte billigste Ware, die unter schlimmsten Bedingungen irgendwo im Osten hergestellt werden.
Verkaufen, verkaufen, verkaufen … entsorgen, entsorgen, entsorgen … Berge von entsorgten Kleidern werden in der Atacamawüste in Südamerika verbrannt, sichtbar vom Weltraum aus. Jedes Jahr mehrere neue Handys, die man unbedingt haben muss, auch wenn das alte noch einwandfrei funktioniert. Bücher, die sofort als Bestseller angepriesen werden, bevor sie überhaupt im Verkauf sind. Alles wird zur Massenware … und so verliert auch alles an Wert. Wir müllen uns zu, nehmen uns den eigenen Lebensraum. Wie lange kann das noch weitergehen?
Mit lieben Grüssen
Ihre Iris Minder
Kulturnacht Grenchen
Hier die Auftritte vom Kindertheater BLITZ mit «Gschänkti Zyt» zusammen mit dem Theater Jawohl und dem Unterstützungsverein BLAWO.
Hier meine Auftritte als Erzählerin mit dem Stadtorchester Grenchen und dem Kinderkonzert «Das kleine Mammut»
8 Kommentare
Liebe Iris
Herzlichen Dank für den interessanten Beitrag. Wo du recht hast, hast du recht. Wertvorstellungen ändern sich und leider nicht immer zum Positiven.
Liebe Grüsse und alles Gute,
Marco
Danke, Marco. Ja, das mit den Wertvorstellungen. Vielleicht müssten wir uns heute wieder etwas mehr auf gewissen Werte zurückbesinnen: Respekt, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, mehr Gemeinschaftsgefühl statt fast nur noch Individualismus
Spannend…..
Da kommt mir doch auch noch in den Sinn,
dass wir noch das Fach Schönschreiben hatten und vor und nach der Pause in 2er Reihe einstehen mussten… und dann mussten wir Mädchen noch das „Obligatorium“ absolvieren!! Diesen Ausweis habe ich sogar noch!!!
Herzlicher Gruss
Doris
Genau, Schönschreiben! Und weil ich das nie zur Zufriedenheit meines Drittkasselehrers gemacht habe, bekam ich nach dem Unterricht immer wieder Totzen (Schläge auf die Handinnenflächen mit dem Lineal oder Rohrstock)
Gestrickte Strumpfhosen kenne ich schon nicht mehr…aber bei das allen anderen Erinnerungen von Dir, habe ich selber Bilder.
Klassenfoto: 3. Reihe die 3. von links….(mit Lehrer gerechnet)
Liebe Franziska. Genau das bin ich … oh je …
Liebe Iris
Du hast es wieder auf dem Punkt gebracht. Vielen herzlichen Dank für den tollen Beitrag! Obwohl meine Kindheit rund zwanzig Jahre später war, kommen mir deine Schilderungen sehr bekannt vor. Zum Beispiel wir hatten nur ein paar neue Kleider mit denen wir in die Schule gingen. Sobald wir nach Hause kamen, mussten wir uns umziehen und in die alten Kleider schlüpfen.
Danke für Deinen Kommentar, Basrie. Ja, es gab doch damals wirklich die schönen Kleider für besondere Anlässe, für Sonntag (Sonntagskleider) und dann die Alltagskleider. Und wehe man hat die Sonntagskleider verdreckt oder verrissen. Das Geld war halt einfach nicht da und man hat zu allem, nicht nur zu den Kleidern, Sorge getragen. Herzlich Iris