Iris Minder

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E chly zrügg luege (6)

Dummheiten, Streiche und lustige Verhaltensweisen gehören natürlich auch zum «E chly zrügg luege». Ich bin mir sicher, dass Ihnen allen ebenfalls eine Unmenge solcher kleinen Reminiszenzen aus der Kindheit in den Sinn kommt. Ihre «Untaten» würden mich auch brennend interessieren.

Im Nachhinein kann ich nur schmunzeln, ob so grosser Naivität bei einem ganz besonderen Verhalten von mir.

Ich muss sehr häufig vor die Türe, weil ich mich einfach zu wild und zu unangepasst benehme, vor allem, weil ich mich schnell langweile. Wir haben da beispielsweise die Zahl neun geübt. Vorne bei dem «Fröili» (wie man in den 50er Jahren im Luzernischen die Lehrerinnen nennt) ist ein Kegelspiel aufgebaut. Das Spielerische finde ich immer spannend und lustig. Kommt hinzu, dass man dabei nicht still sitzen muss. Wir dürfen die Kugel werfen und dann sagen, wie viele Kegel noch stehen und wie viele gefallen sind. Ich komme relativ früh an die Reihe.

Aber dann passiert es:

Ich langweile mich. Und so beginne ich vor mich hinzupfeifen, etwas das ich gerade gelernt habe. Das «Fröili» stellt mich vor die Türe. Und jetzt kommt der Teil, über den ich heute schmunzeln muss. Dazu muss man wissen, dass mein Vater Oberstufenlehrer im gleichen Schulhaus ist. Jedes Mal, wenn ich vor die Türe gehen muss, habe ich Angst, dass er mich sieht. Deshalb drücke ich mich ganz fest an die Türe und bin überzeugt, dass ich mich so im Türrahmen für ihn unsichtbar machen kann. Mir ist natürlich nicht bewusst, dass sich alle Lehrer in der Pause im Lehrerzimmer treffen und das «Fröili» meinem Vater immer brühwarm erzählt, was ich schon wieder angestellt habe! Wie mein Vater später mal erzählt, ist sie mal ins Lehrerzimmer gerannt und hat ihm vor versammeltem Kollegium mitgeteilt, dass ich in der dritten Klasse in die Hilfsschule gehen müsse! Das wurmt meinen Vater sehr. Als er später mein Maturazeugnis in der Hand hält, hat er dieses sofort kopiert und dem «Fröili» geschickt mit dem Vermerkt: Das ist jetzt deine Hilfsschülerin! Damit ist sicher sein verletzter Stolz wieder genesen!

Was ich da sonst noch alles «verbrochen» habe!

Meistens spiele ich mit den Buben unseres Quartiers. Das «Bäbele» und «Chöchere» mit den Mädchen (in den 50erJahren halt noch so üblich) ist nicht so mein Ding, obwohl meine Mutter immer wieder versucht, mir mit Bäbis (beispielsweise mit einem hellhäutigen und einem «Neger»- Gummibäbi) diese mütterlichen Eigenschaften zu fördern. Es ist nicht so, dass das mir nicht gefällt, aber nach kurzer Zeit ist es einfach langweilig, mich mit diesen immer gleichen toten Dingen zu beschäftigen. Ich muss einfach Leben um mich haben, andere Kinder, Bewegung und Abenteuer. Neben Indianerlis und auf die Bäume klettern, sind das nicht immer ganz harmlose Einfälle.

Einmal – so finde ich – müssen wir richtig Friedenspfeife rauchen. So sammeln wir Zigarettenstummel auf der Strasse, verziehen uns beim reformierten Kirchgemeindehaus in der gleichen Strasse versteckt bei den Garagen. Wir holen den nichtverbrannten Tabak heraus, wickeln diesen in Papierchen und lassen diese Friedenspfeife herumgehen. Jeder versucht natürlich, sich nichts anmerken zu lassen und nicht zu husten. Aber am Schluss verschwinden wir alle still. Mir auf jeden Fall ist schlecht und «trümlig» geworden. Ich nehme an, den andern auch.

Was wir auch besonders lieben, ist auch etwas nicht so ganz Harmloses. Wir legen uns hinter den Auspuff der wenigen Autos auf dem Parkplatz und atmen die Dämpfe ein. Nach einer gewissen Zeit wird einem richtig wohl. Heute würde man sagen, wir waren so was ähnliches wie high.

Eine Zeitlang ist es Mode, sich mit einem Trick ohnmächtig zu machen. Wie das geht?  Man geht in die Hocke und atmet viele Male ganz, ganz tief ein. Dann springt man hoch und hält sofort den Atem an. Ich mache das einmal exzessiv, weil ich es wirklich wissen will, wie das ist. Ich erwache … liege auf dem umgestürzten Velo … und meine Kollegen sind weg … Mehr muss ich dazu wohl nicht mehr sagen.

Im früheren Winter bin ich mal zusammen mit den Nachbarsbuben über den Sedel zum Rotsee spaziert (heute gibt es auf dieser Strecke fast nur noch Autobahn und Autos). Wir wollen unbedingt schauen, ob der See schon zugefroren ist. So eine grosse Strecke zu Fuss zu gehen, ist für uns ganz normal. Der See ist zugefroren! Obwohl überall Warntafeln stehen mit dem Verbot, dass man noch nicht auf den See darf, bin ich natürlich aufs Eis getreten. Und plötzlich steht da ein Polizist! Er schimpft und kündigt an, uns anzuzeigen und es den Eltern zu melden. Potz Donner! Habe ich Respekt! Tagelang warte ich darauf, dass die Eltern schimpfen oder eine Anzeige im Briefkasten liegt. Zum Glück passiert aber nichts. Vor lauter Respekt vor dem Polizisten habe ich nicht realisiert, dass dieser gar nicht nach unseren Namen gefragt hat!

In meiner Klasse sind wir nur zwei reformierte Mädchen von 30 Schülern. Besonders eine der Schulkolleginnen hat mir immer Angst gemacht mit so Aussagen wie: Du kannst nicht beichten. Du bist eine Ketzerin. Und deshalb wird dich der Teufel holen und du kommst in die Hölle. Als kleines Kind fährt so was ein. Deshalb schleiche ich mich ab und zu heimlich in die katholische Mariakirche und benetze mich mit Weihwasser. Obwohl ich jetzt beruhigt bin, dass ich nicht in die Hölle komme, plagt mich ein schlechtes Gewissen.  Ich komme mir vor wie eine Verbrecherin, die etwas Ungeheuerliches getan hat.

Nun wünsche ich Ihnen von Herzen eine gute Zeit! Bis bald!

Ihre Iris Minder

Foto: Rotsee zugefroren (Wikipedia)

3 Kommentare

  1. Schön zu lesen – wie immer, Danke – Iris. Die Episode aus der Kirche (Beichte/Weihwasser) erinnert mich an einen gemütlichen Schwatz unter Covid19-Bedingungen :))

  2. Liebe Iris
    Coole Geschichten so an einem Montagmorgen! : ) ; ) Nice!
    Die machen doch den Wochenstart gleich lustiger!
    Ich wünsche Dir alles Gute, liebe Iris!

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