Iris Minder

Blog

E chly zrügg luege (9)

Ich habe mir so ein paar Gedanken zum Erinnern gemacht. Wie ist das mit Gerüchen und Geräuschen zum Beispiel?

Wenn ich mir einen Duft, zum Beispiel den von Lavendel, vorstelle, dann geschieht nicht viel. Vielleicht sehe ich die lilafarbenen Blüten vor mir. Wenn ich dann jedoch den Lavendel rieche, dann tauchen Bilder auf und mit ihnen Emotionen und Situationen. Ganz anders ist es bei den Geräuschen. Da sind Gefühle und Stimmungen fast sofort da, ohne, dass ich das Geräusch wirklich hören muss.

Ich denke jetzt mal an Militärflugzeuge. Sofort sitze ich sozusagen in meiner Schulbank. Wir schauen alle zum Fenster hinaus, der Unterricht wird unterbrochen und über uns fliegen sehr tief und extrem schnell die Flugzeuge vom Militärflughafen in Emmen. Aber damit ist es nicht getan. Wir sind alle angespannt, ob der Knall kommt oder nicht. Meistens ist dem so, denn man hat Flugzeuge, Mirage, mit denen man Ultraschallgeschwindigkeit fliegt. Wir halten uns die Ohren zu bevor die Scheiben vom Knall (wenn das Flugzeug durch die Schallwand fliegt) klirren. Aber ich erinnere mich auch, wie stolz man ist, dass die Schweiz jetzt solche modernen Flugzeuge besitzt.

Der Gesang der Mönchsgrasmücke ist mir immer noch sehr präsent. Ich liege krank im Bett und höre diesen kleinen Vogel jubilieren. Ich übe und übe, um genauso wie er zu pfeifen. Ich erlebe es noch genau wie dann, fiebrig, im Bett liegend, zusammen mit ihm zu singen. Der Witz von der Sache ist, dass ich allerdings der Meinung bin, dass es eine Amsel ist und ich stolz bin, eine Amsel nachahmen zu können!

Kirchenglocken. Wenn ich an dieses Läuten denke, dann bin ich gleich wieder an einem der Samstagabende in Emmenbrücke. Frisch gebadet in Fichtennadelschaumbad sitzen wir am Esszimmertisch, die Glocken der Marienkirche läuten den Sonntag ein und wir essen unser Znacht: Zopf, Johannisbeerkonfiture, Butter und Schwarztee. Dieses Zusammenspiel von Anke, saurer Konfi und Zopf und die eher negativen Gefühle dazu sind sofort wieder da. Auf jeden Fall würde ich es heute nicht mehr essen.

Ein riesiges Fest im Winter. Ein bekannter Nachbar von uns ist zum Fritschivater gewählt worden. Er hat ein riesiges Fest – es ist eisig kalt – im grossen Garten veranstaltet. Einmal mehr liege ich krank, ich glaube mit einer Mittelohrentzündung im Bett und höre das fröhliche Getue und die urchigen Klänge einer Guggenmusik. Das ist alles sofort wieder da. Und erst noch verbunden mit einer köstlichen Überraschung. Weil ich nicht an dieses Fest gehen kann, hat mir die Nachbarsfamilie eine Bratwurst bringen lassen.

Eine ganz schlimme Geräuscherinnerung habe ich beim Besuch einer Schulkollegin eingeprägt bekommen. Sie haben einen grossen Balkon, der direkt über der Metzgerei gelegen ist. Einmal, es ist einfach nur grauenhaft, höre ich das laute, verzweifelte Schreien der Schweinchen, die man gerade schlachten will. Man möchte es am liebsten vergessen. Auf jeden Fall vermeide ich, dorthin zu gehen.

Und so gibt es noch so viele Erinnerungen an Geräusche oder Lärm. Mein Bruder und ich zum Beispiel bauen immer wieder einen riesigen Turm aus Holzklötzen, fast bis zur Decke. Das ist ja schon mal was. Aber die grosse Freude herrscht dann, wenn wir unser Werk zusammenstürzen lassen. Eine Riesengaudi! Allerdings kommt kurz darauf ein neues Geräusch, und zwar von unten, wenn mit dem Besenstiel geklopft wird.

Das Fahren und Bremsen (noch mit Rücktritt) mit dem Velo auf der nichtasphaltierten Strasse bleibt mir geräuschmässig auch in Erinnerung … und nicht nur das, sondern auch die vielen bei Stürzen aufgeschürften, blutigen Knie! Wobei ich hier nicht so genau weiss, ob es vor allem die schmerzenden Knies sind, die sich eingeprägt haben!

Mit Fröhlichkeit und Ausgelassenheit verbunden sind zwei weitere tönende Erinnerungen: Im Sörisberg auf der Eisbahn, wenn man den Baby-Boogie einspielt. Oder als ich zum ersten Mal in einem Restaurant aus einem Musikautomaten die Beatles höre … oder … oder …

Vielleicht ist die Welt der 50er und 60er Jahre weniger laut gewesen als 2020 und deshalb bleiben Geräusche stärker haften? Ich weiss es nicht.

Ich wünsche Ihnen einen geruhsamen Sonntag, eine gute Woche mit schönen, wohlklingenden und erinnerungswürdigen Klängen, Geräuschen und Tönen.

Ihre Iris Minder

P.S. Ich habe die SwissCovidApp installiert. Es ist noch nicht ausgestanden … und ich hoffe, dass keine zweite Welle kommt, wegen der wir wieder nicht Theater spielen können!

2 Kommentare

  1. Hallo Iris
    Es ist Wahnsinn wie Mann Geräusche und Gerüche und die dazugehörigen Momente in Gedanken nachempfinden kann. Ich hätte da auch viele Geschichten dazu. Als könnte man die Momente und Emotionen, Stimmungen nochmal erleben. Teils einfach mit einem zusätzlichen weinenden Auge.
    glg Timo

  2. Du hst recht. auch ich erlebte viele Geräusche und Gerüchte.
    Ein ganz besonderes Gerücht-Gemische erlebe ich auch noch heute.Meine Mutter lebte in einem kleinen Dorf im Bucheggberg. Da gab es schon einen Einkaufsladen für der täglichen Gebrauch.
    Die Gerüche nach Gewürzen, Kaffee, Brot, Mehl sind unvergessen. Immer erlebe ich diesen Moment, bei jeder Durchfahrt durch`s Dorf, und das nach über 50 Jahren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert