Liebe Leserinnen und Leser
In den 50er Jahren nannte man die Jungen mit Töffli und Elvistolle «Halbstarke». In den 60er Jahren folgte die Zeit der langen Haare. Dazu kamen: Drogen, freie Liebe und Aufstand von Studenten und Jugendlichen (teilweise mit Vandalismus und Schlägereien), die Kubakrise mit der Atomangst, der kalte Krieg, der Vietnamkrieg. Ich erinnere mich daran, dass viele Erwachsene meinten, das sei der Untergang unserer Demokratie, der Welt und unserer Gesellschaft. Daran muss ich in letzter Zeit häufig denken. Jetzt bin ich die Alte, die befürchtet, dass es auf dieser Welt nicht gut kommen kann. Rundum kriegerische Aufrüstung, Völkerwanderung, Psychopathen als Staatsoberhäupter, Erderwärmung, Verrohung, Mikroplastik sogar in der Muttermilch, Lebewesen im Meer die qualvoll wegen Millionen von Tonnen Plastikabfall verenden. Alles Probleme, die einen verzweifeln lassen. Ich fühle mich ohnmächtig, ausgeliefert. Ich kann das alles irgendwie nicht ausblenden. Ich durfte in einer Zeit leben, in der der Aufbruch in eine bessere Zukunft Realität zu sein schien. Ich hättes nie für mich möglich gehalten, dass wir in Europa Krieg haben, dass der Rechtsextremismus wieder Fuss fasst, dass ein Atomkrieg wieder ein Damoklesschwert über uns droht.
Gleichgültigkeit
Was ich in meinem weiteren Umfeld beobachte, macht auch nicht gerade Hoffnung. Folgendes musste eine Frau über Achtzig erleben: Sie ist im Bahnhof über einen Rollkoffer eines Mannes, der an ihr vorbeieilte, gestürzt. Der hat kurz geschaut und hat sich einfach verzogen. Aber dieses Verhalten wurde noch getoppt: Eine Mutter mit zwei Kindern kam vorbei. Die Kinder meinten, dort liege eine Frau und wollten ihr helfen. Die Mutter hielt sie mit den Worten zurück: «Nein, kommt, sonst verpassen wir den Bus».
Man kann sagen, was man will: Aber so etwas hätte es in meiner Zeit nicht gegeben. Wir sind so erzogen worden, dass wir helfen, wenn jemand in Not ist.
Diese Gleichgültigkeit rundum machte mir besonders im letzten Jahr sehr zu schaffen. Schlussendlich ist deshalb auch das Jubiläumsspiel KLEIDER MACHEN LEUTE, obwohl bis ins kleinste Detail geplant, bachab gegangen. Nadja und ich freuten uns auf ein Jubiläumsfeuerwerk in einem Rundzelt. Zwei Jahre Vorarbeit und Vorfreude leider vergebens. Aus verschiedenen Gründen findet es so nicht statt.
Allerdings realisieren Nadja und ich zu unseren Jubiläen (25 Jahre Theateratelier, 25 Jahre Seniorenbühne «theater, JAWOHL, 20 Jahre Kindertheater BLITZ, 10 Jahre Leitung durch Nadja) am 8., 9., 13. und 14. November im Zwinglihaus etwas Kleines und Feines. Es wird jetzt halt kein Feuerwerk, sondern ein bunter Zuckerstock, aber mit viel Herzblut und Liebe. Und da bin ich wieder einmal beim Thema: Herzblut.
Ich bin persönlich betroffen, ohnmächtig, resigniert und tieftraurig über diese Gleichgültigkeit, über falsche Versprechungen, unachtsame Kommunikation und vermutlich auch mangelnde Wertschätzung. Ich habe jedoch auch bemerkt, dass ich alles andere als alleine mit solchen Frustrationen und Enttäuschungen bin. So viele um mich leiden an der gleichen sich breitmachender Gleichgültigkeit. «Es ist nicht mehr meine Welt», ist eine Aussage, die ich immer wieder höre, und der ich voll und ganz zustimmen kann.
Was ist es, woran ich und viele heute verzweifeln?
- Ohne Herzblut, persönlichen Einsatz und Liebe zu einer Sache, einem Projekt kann dieses nicht gelingen. Es braucht Freude und Engagement zu dem, was man vertritt. Man muss für etwas brennen, wenn man gegen Innen und Aussen motivieren will, sei es Akteure, Mitarbeitende oder Sponsoren.
- Neid, Eifersucht sind teuflische, bösartige Motore, die nur eines machen: Zerstören.
- Nicht mit dem andern reden, wenn einen etwas stört oder etwas unsicher ist oder man Gerüchte hört, verursacht nur Missverständnisse, Trauer, Verletzungen und Schaden. Und erst noch, wenn das Ungeklärte in die Öffentlichkeit posaunt wird! Persönlich klären würde so viel auflösen und ins Positive wenden … aber man versteckt sich lieber hinter Getuschel, hinter Urteilen und Verurteilen …
- Gerade zum Ausbremsen von Menschen, die sich engagieren, mit Liebe und Herzblut und grossem Einsatz etwas für die Öffentlichkeit realisieren, haben wir ein jüngstes Beispiel. Sinnlose Zerstörungswut, einfach um der Zerstörung willen, hat auf dem Grenchenberg stattgefunden: Mutwillig zerstörte SAC-Hütte und zertrümmertes Skilifthaus. Da haben so viele engagierte Menschen über Jahre mit Freude, in Fronarbeit mit so viel Liebe und Herzblut etwas aufgebaut … Ich kann es nicht verstehen. Einfach sinnlos.
Ich hoffe einfach, dass sich all die engagierten Menschen nicht entmutigen lassen und weitermachen.
POSITIVES
Rückblickend auf 2024 gibt es natürlich auch Positives. Erfahren zu dürfen, dass es Menschen um mich gibt, die da sind, mich stützen und mir zur Seite stehen. Es sind Wenige, aber auf die kann ich zählen. Dafür bin ich von Herzen dankbar.
Ganz wunderschön ist es, dass viele seit Jahren treue Spielende mit Freude am neuen, feinen Jubiläumsstück mitmachen wollen. Besonders erfreulich sind die engagierten, wunderbaren jungen Menschen von BLITZ und meinen Atelierproduktionen, die mitspielen wollen!
Dankbar: Genügend zu essen, wunderschöne Wohnsituation, Sicherheit, gute soziale Kontakte, ein Kopf, der noch funktioniert.
Motivierend und wohltuend ist einmal mehr die Begeisterung des Publikums für meine besondere Art des Stationentheaters, Szenenspiele, gewesen. 2024 war es ALLER GATTIG LÜT im Schlosspark Landshut, Utzenstorf. Auch dafür bin ich von Herzen dankbar.
Eine wahre Bereicherung war und ist auch die Teilnahme am Frauensprachcafe von Granches Mélanges jeweils am ersten Freitagmorgen jeden Monats.
Unerwartet bin ich im Februar angefragt worden, Teil eines Stammtisches zu sein. Diese wöchentlichen Treffen sind für mich ein Highlight. Der Austausch mit den bunt zusammengewürfelten «Stämmlern» (ehemalige oder noch aktive Geschäftsleute, Polizisten, Apotheker, Musiker, Landwirte, Lehrerinnen, Sekretärinnen, Serviceangestellte) ist für mich eine einmalige Erfahrung und Bereicherung. Das hätte ich mir bisher nie vorstellen können. Und was mich besonders beeindruckt und berührt: Geht es einem nicht gut, man ist sofort da und hilft. Das durfte ich selber erleben. Es gibt es also doch noch: Zugewandtheit, Hilfsbereitschaft und inneres Engagement. Danke!
KURZER AUSBLICK
- Im März wird es meine letzte Atelierproduktion geben. Ein menschenverbindendes Stück BRÜCKEN. Es findet im christkatholischen Pavillon statt, und zwar am 27. und 28.3. Am 29.3. in der ref. Kirche Derendingen. Details folgen.
- Anfang November findet (wie oben erwähnt) das Jubiläumsstück statt. Dieses wird dann meine allerletzte Theaterproduktion Nach elf Jahren über die Pensionierung hinaus, hänge ich meinen Beruf an den Nagel. Gut, ich werde nicht einfach nur ruhen … aber, was kommt, weiss ich noch nicht. Etwas wird sicher kommen … aber? Sicher ist nur: Als Regisseurin realisiere ich keine Szenenspiele, keine Seniorenstücke, keine Atelierproduktionen oder grössere Spiele mehr.
Nun wünsche ich eine friedliche Adventszeit, frohe Weihnachten und auf ein Wiedersehen bei einem meiner letzten beiden Produktionen im 2025.
Ihre Iris Minder
10 Kommentare
Mein Lebensmotto: der Weg ist das Ziel, gilt auch für dich … es hat dir 25 äusserst glückliche und erfolgreiche Jahre beschert … du konntest deine Visionen und Träume verwirklichen und stolz auf alle Resultate sein … ich gratuliete dir von ganzem Herzen, so viel Glück ist wenigen Menschen vergönnt …
Liebe Mariann
Danke für deinen Kommentar. Wie recht du hast. Das nächste Jahr wird begleitet sein von grosser Dankbarkeit: All den Menschen gegenüber, die mich in irgendeiner Form begleitet haben, all sich öffnenden Türen gegenüber, all der Unterstützung gegenüber, meinem Schicksal gegenüber, Grenchen gegenüber … usw. usw.
Vo Härze alles Liebe Dir!
Liebe Iris
Es gilt dir für deine wunderbare Arbeit ganz herzlich zu danken.
Wir durften an einigen Veranstaltungen von dir teilnehmen und waren jedes Mal begeistert.
Für die wohlverdiente Pensionierung wünschen wir dir von ganzem Herzen nur das Allerbeste.
Geniesse eine wunderbare Zeit in deinem schönen Zuhause und mit deinen Liebsten.
Herzlichst,
Angelika und Marco
Liebe Angelika, lieber Marco
Ganz herzlichen Dank für euren Kommentar, der mich sehr gefreut hat … bevor der sogenannte Ruhestand kommt, darf ich noch zwei wunderbare Produktionen im 2025 realisieren. Darauf freue ich mich riesig. Und vielleicht – wer weiss – findet ihr von Bayern aus den Weg zu einer Vorstellung? Ganz herzlich Iris
Liebe Iris, zu deiner Pensionierung gratuliere ich dir von Herzen. Meine grossen
Wünsche für dich, sind Gesundheit von der Scheitel bis zur Sohle, viele dich
liebende Menschen, Sonnenschein Wärme und alles Glück auf dieser Erde. Was
für ein Glück, dass ich dir begegnet bin (dank meiner Frau) unser erster Kontakt
mit dir, worauf so viele unvergessliche, Produktionen entstanden sind unter deiner Regie. Zur Pensionierung noch dies:
Gold, Geld, noch Macht dazu, so findet mancher seine Ruh,
Dem andern ist das Geld egal er hat da eine andre Wahl.
Seis die Natur, das Blumenfeld, die Vögel hoch am Himmelszelt
das ist für ihn noch heilige Welt.
Der dritte denkt was solls den sein, freut sich an einem Gläschen Wein
stösst an auf ein gesundes Leben, welches Gott ihm hat gegeben.
So hat ein jeder seine Wahl, fühlt sich mit seinem tun geehrt,
das macht das Leben lebenswert!!! Ganz herzlich, Hermann
Lieber Hermann. Was für ein lieber Kommentar von dir und erst noch mit einem Gedicht. Ja, lieber Hermann, das Glück, das wir uns begegneten, war und ist noch immer gegenseitig. Du warst und bist eine Bereicherung und ich hoffe, dass wir noch viele gemeinsame Gläschen Wein trinken können … oder ein Stück eines deiner Cakes geniessen können. Jetzt freue ich mich auch auf meine letzten beiden Produktionen und schaue dann Ende 2025, was für mich kommen wird, neue Aufgaben, neue Wege? Sei herzlich umarmt.
Liebe Iris
Ich habe dich und deine grandiose Leidenschaft erst seit kurzem richtig kennengelernt. Du hast die Gabe, deine Um-Welt in Bewegung und Farbe zu bringen. Immer mit Tiefgang. Ich freue mich auf dein Wirken in deinen Abschlussprojekten und wünsche dir, dass du dabei Gelingen und Wertschätzung erleben darfst. Herzlich Susanne
Liebe Susanne. Danke für deine lieben Worte. Ja, du hast recht, um mich herum wirbelt es immer irgendwie, manchmal positiv, manchmal negativ. Aber irgendwie ist immer ein Strudel da. Ich wünsche mir wirklich, dass um mich einfach ruhiges, stilles Wasser gemächlich fliesst. Umarmung Iris
Liebe Iris
Jedes Mal bin ich neu begeistert von deinem Schreibgeist. Deine Sorgen um unsere Welt sind auch meine.
Und ja, was dein Engagement betrifft, bist du ein Vorbild für viele, inklusive mir. Mit deinem unermüdlichen Einsatz hast du der Gesellschaft viel Freude und Glücksgefühle geschenkt. Ich bin sehr dankbar dir vor fünf Jahren begegnet zu sein. Für mich bist du eine grosse Bereicherung! Du sollst stolz sein auf dich und auf das was du tust – auf jeden Fall, ich bin es!
Von Herzen wünsche ich dir auch eine ganz schöne Weihnachtszeit und auf unser Wiedersehen im 2025 freue ich mich schon jetzt!
Herzlichst
Basrie
Liebe Basrie. Danke von Herzen für deinen Kommentar. Was du schreibst, berührt mich sehr … ich selber bin aber nicht so überzeugt, etwas zu bewirken. Manchmal hoffe ich es, manchmal denke ich, es bringt eh alles nichts. Weisst du, ich mache einfach das, was ich glaube, ist mir in die Wiege gelegt. Und vielleicht dient es zu etwas. Herzliche Umarmung und dir auch frohe WEihnachten … Anfangs 2025 sehen wir uns sicher!!!!