Iris Minder

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Eine neue Gänggi-Produktion: MOMO

Die berühmte Geschichte von Michael Ende aus dem 70ger Jahren hat an Aktualität nichts verloren. Ende thematisierte eine gesellschaftliche Entwicklung, die ihm Sorge bereitete:

Keine Zeit für den andern, weil Arbeit, Rationalisieren, Erfolg und Geld verdienen an erster Stelle standen; ein Spielzeugmarkt, der ebenfalls vor allem aufs Geschäft aus war und mit fantasielosen, vorgefertigten Puppen (wie der aufkommende Barbiepuppen-Markt) mit Zubehör wie Kleidern, Einrichtungen, Accessoires die Gier nach immer mehr weckte.

Er prangerte an, dass man nicht lebte, sondern das Leben auf später verschob, auf eine unbestimmte Zeit nachher. Dabei findet das Leben jetzt statt. Als Gegenpol zu diesem hektischen, unpersönlichen und nur auf Profit ausgelegten Leben, den Grauen Herren als Zeitdiebe, erschien wie von einem andern Stern das Mädchen Momo.

Es hatte Zeit, Zeit zuzuhören, Zeit sich um anderen zu kümmern, Zeit fantasievolle Spiele zu erfinden, Zeit da zu sein für den andern.

Das war in den 70iger Jahren. Und heute? Ist es besser geworden? Hat man gelernt? Oder ist es sogar schlimmer geworden?

Diese Fragen muss jeder für sich alleine beantworten. Ich selber finde, es ist mindestens noch genau wie damals. Es sind allerdings nicht mehr die Barbiepuppen und ähnliches: Es ist unsere ganze Vernetzung mit Handy, Sozialen Netzwerken, immer erreichbar sein zu müssen oder zu wollen, Angst abgehängt zu werden, digitale Spiele usw. So habe ich die Geschichte angepasst ans Heute. Aber: Der Plot bleibt gleich. Was für ein grossartiges, aktuell gebliebenes Werk von Michael Ende!

Eine Umfrage unter vielen jungen Menschen hat mir gezeigt, wie zentral dieses moderne Kommunikationsmittel ist. Viele bezeichnen sich selber als süchtig. Sie haben Angst, zu vereinsamen, gemobbt zu werden, wenn sie nicht dauernd auf Sendung sind.

Ein 12jähriges Mädchen schrieb: «Wenn es das Handy nicht gäbe, dann würde es mehr draussen spielen oder mehr mit seinen Eltern reden.»

Alle jungen Frauen meinen, dass sie eigentlich gerne auf das Handy mit all diesen sozialen Zwängen verzichten würden, wenn alle es tun würden. Sie empfinden es nahezu einstimmig als zeitraubend und schlussendlich belastend, dies neben den positiven Eigenschaften. Aber: Eine Minute nichts zu tun: Blick aufs Handy. Schnell da eine Nachricht, dort ein Smiley, ein Filmchen, Youtubevideos schauen, ein sexy Bild von sich posten, dieses bearbeiten, weil andere ja viel schöner und dünner und attraktiver sind usw. usw.

Ältere Menschen sehen bei sich kein oder viel weniger Suchtpotential und sind froh, verbunden zu sein und erreichbar zu sein. Zu mir persönlich: Ich merke an mir selber, welches Suchtpotential ein Smartphone haben kann: Vor allem auch all die Informationsmöglichkeiten, Whatsapp, WortspieleApps … was für Zeiträuber!

Kurzfristig hatte ich Accounts bei Facebook und Instagram … aber dann gelöscht … und ich vermisse es nicht. Aber eben: Der Rest! Das Handy ist immer dabei.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will diese ganzen technischen Errungenschaften nicht verteufeln und bin selber froh darum. Und die gute Seite beispielsweise von Facebook hat sich jüngst gezeigt, als ein Grossverteiler einer Bauernfamilie die gesamte Kartoffelernte von 15 Tonnen zurückgab, weil sie nicht der Norm entsprachen (wie krank!!!). Ein Aufruf von ihnen führte zu einer unglaublichen Solidaritätswelle und die Familie wurde mit Bestellungen und Anrufen nahezu bombardiert. Ja, alles hat zwei Seiten!

Zurück zur MOMO-Produktion im Gänggi: Wir haben mit allen Corona-Sicherheitsmassnahmen mit den Proben begonnen. Ob wir im November spielen werden, weiss ich jetzt noch nicht. Ich entscheide Ende September.

Eine Freundin von mir, die Konzerte organisiert, meint, dass die Leute hungrig nach Kultur seien und sich einige schon für Innenkonzerte im November angemeldet hätten. Es sei dem Publikum zuzumuten, Masken zu tragen, was ja immer mehr überall zur Selbstverständlichkeit werde.

Dies war ihre Antwort auf meine Frage, ob überhaupt Leute kommen. Wenn die Zuschauer bereit sind, Masken zu tragen und so MOMO besuchen kommen, dann habe ich die Hoffnung, im November spielen zu können.

Was denken Sie? Ihre Meinung, Ihr Kommentar wäre sehr hilfreich und würde uns freuen.

Alles Liebe
Ihre Iris Minder

7 Kommentare

  1. Was ist schon eine Maske im Gesicht, wenn Seele und Geist so ernährt werden, wie ich es von deinen Theateraufführungen kenne, liebe Iris. Ich freue mich auf Momo! Jetzt schon dir und dem Team herzlichen Dank dass ihr sagt: “Jetzt erscht rächt!”…

  2. Ich denke schon, dass die Besucher eines Konzertes oder eines Theaters Masken tragen werden, wenn Ihnen der Anlass wirklich wichtig ist. Was aber ist mit den Schauspielern? Das Proben mit Maske stelle ich mir schon schwer genug vor. Keine Mimik ausser mit Augen und Stirn Für die Zuschauer ist es eventuell schwieriger dem Stück zu folgen. Trotzdem, wer nicht wagt der nicht gewinnt! Also vorwärts mit den Proben und dich auf November freuen.

  3. Liebe Iris

    Wieder einmal sprichst du mir vom Herzen.
    Da uns Corona noch lange begleiten wird, bin ich überzeugt das Masken tragen wird schon bald selbstverständlich sein.
    Viel Spass bei den Proben.
    Liebi Grüessli Uschi

  4. Ja auch ich bin hungrig nach Kultur und würde es super finden, wenn die Produktion im Gänggi im November stattfinden könnte. Ich jedenfalls wäre dabei. Drücke die Daumen!!!

    Gruss Kathrin

  5. Liebe Iris
    Ich denke auch, dass die Leute nach Kultur lechzen und das Masken tragen langsam zur Normalität wird. Dann werden die Leute auch ins Theater kommen. Vielleicht am Anfang etwas zögerlich, aber sie werden kommen! Ich wünsche es dir und werde dir die Daumen halten!

  6. Liebe Iris, nur noch Absagen, Verschiebungen und zum Teil Gejammer auf höchstem Niveau und da kommst Du und wagst eine neue Produktion. Ich bewundere dich, dass du den Mut und die Kraft dazu aufbringst, Chapeau. Dir und dem ganzen Team wünsche ich, dass eure Arbeit mit Erfolg gekrönt wird und
    freue mich auf ein Wiedersehen im Gänggi. Ganz herzlich, Hermann

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