Iris Minder

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Liebe Menschen

Heute schreibe ich die Erinnerungen auf, die sozusagen unauslöschlich tagtäglich in meinem Kopf und Herzen präsent sind. Erinnerungen an Lebewesen, die Teil meiner Seele geworden sind und noch heute aktuell an meiner Seite leben: Hunde. Die Lebewesen, die alles tun, um uns zu gefallen, zu helfen, zu unterstützen … und uns bedingungslos lieben, wenn wir  sie respektvoll behandeln.

Die ersten Hunde, die zu unserer Familie gehörten, erlebte ich erst im späteren Teenageralter. Als kleines Kind zogen mich diese Tiere bereits an. Ich erinnere mich an die Freude, wenn ich beispielsweise den Hund vom Nachbarn an der Leine halten durfte. Andere Nachbarn hatten Boxer. Als kleines Kind hatte ich schon etwas Respekt vor ihnen, aber sie faszinierten mich.

Zurück zu den ersten Hunden in meiner Familie. Es waren zwei Airedaleterriers: Lotus und Diana. Lotus starb leider als junger Hund an einer Nierenerkrankung. Da ich zu dieser Zeit auf dem Absprung in ein eigenes Leben war, kann ich mich an nicht mehr vieles erinnern. Nur daran, dass Diana deutsche Schäferhunde nicht ausstehen konnte. Von meinem Bruder weiss ich, dass Lotus keinen Menschen in die Wohnung liess und Diana niemanden hinaus. Es gibt da die Geschichte, als unsere Mutter den Afghan-Teppich reinigen liess. Diana liess die Männer, die ihn abholten, nicht mehr raus!

Selber auf den Hund gekommen bin ich erst mit 35 Jahren. Es gibt viele Erklärungen für diese Aussage. Eine davon lautet so: «Manche Menschen hatten am Boden ihrer Geldtruhe einen gezeichneten oder geschnitzten Wachhund abgebildet. Der sollte Diebe abschrecken und den Besitzer selbst zur Sparsamkeit ermahnen. Hatte nun einer so viel Geld ausgegeben, dass dieser Hund zum Vorschein kam, war er “auf den Hund gekommen”. Übrigens interessant, dass die Redewendung «auf den Hund gekommen» heute immer mehr eine positive Bedeutung bekommt.

Paco

Wie kam mein erster Hund zu mir? Es war in einer umwälzenden Zeit. Ich entschloss mich nach langen Jahren, dass ich mit meinem damaligen Mann, keine Kinder werde haben können. Ich habe aufgegeben. Das war im Herbst. Die Ferien waren vorbei. Ich unterrichtete damals an der Rischik-Schule in Bern. Am ersten Schultag kam Bernhard von Wattenwyl zu mir und fragte mich, ob ich nicht Interesse an einem Hund hätte. Ohne überhaupt eine Sekunde zu überlegen, sagte ich einfach zu! Am gleichen Abend fuhr ich völlig aufgeregt nach Oberdiessbach ins Schloss. Man bat mich in die Küche. Kurz darauf kam der Knecht mit einem Wollknäuel und legte ihn mir auf die Arme. Ich war hin und weg und wusste, dass der kleine Rüde Paco heissen wird. Ich wollte selbstverständlich etwas für ihn bezahlen. Man sagte mir, ich soll dem Knecht einen Fünfliber geben für seine Arbeit. Sie seien froh, wenn der Hund in guten Händen sei, sie hätten ihn sonst töten müssen. Und so wurde – durch Zufall oder höhere Fügung – Paco während 16 Jahren zu meinem Seelenhund.

Er war von da an immer an meiner Seite so auch während meines Studiums an der Uni Bern. Er begleitete mich an die Vorlesungen oder wurde im Germanistikinstituts-Sekretariat von Erika Schorno verwöhnt. Ich weiss, dass man noch heute von mir als die Frau mit dem Hund spricht. Er erlebte und erfreute mit vielen Abenteuern mein Patenmädchen Yvonne oder die Nachbarskinder Dominique, Stephan, Eva und Ursina, damals noch in Schönbühl. Paco war an meiner Seite bei der Scheidung, beim Uniabschluss, beim Umziehen nach Grenchen, bei den unheimlich schweren Anfangsjahren in Grenchen mit Mobbing und allem, was dazu gehört, bei meinen späteren beruflichen Erfolgen als Leiterin des Amtes für Kultur. Er war auch an meiner Seite, als ich die Ausbildung zur Theatertherapeutin machte, Theaterwissenschaft an der Uni Bern belegte und im Jahr 2000 das Amt für Kultur verliess, um ins kalte Wasser als freischaffende Theaterkünstlerin zu springen. Er war während der wichtigsten und einschneidendsten und turbulentesten Jahren meines Lebens mein treuer vierbeiniger Begleiter. Paco ging nie von meiner Seite, wo immer ich auch war. Eine Leine brauchte er kaum je. Ja, und dann kam das, was für jeden verantwortungsvollen und zugewandten Hundebesitzer ein unausweichlicher Gau ist: Ich musste Paco mit fast 16 Jahren gehen lassen. Die Tierärztin erlöste ihn zuhause. Heute zweifle ich manchmal an meinem damaligen Entscheid, ihn dann schon gehen zu lassen. Vielleicht hätte ich noch warten müssen, noch lange warten müssen.

Aber sein Tod hat mich vor Trauer erstarren lassen. Ein Teil meiner Seele war weg und hinterliess – bis heute – ein leeres Loch. Ich sass zwei Tage fast unbeweglich, ohne zu essen, auf dem Sofa. Dabei hatte ich immer das Gefühl, er ist noch da. Immer wieder flog sein Geruch an mir vorbei. Erst nach drei Tagen hatte ich das Gefühl, dass der Druck auf meiner Seele nachliess und er endgültig fort war. Zurück blieb einfach nur eine tiefe, schmerzende Trauer. Diese spüre ich noch jetzt, während ich das schreibe.

Beppo

Dann kam der kleine Beppo von einem Bauernhof im luzernischen Geiss zu mir. Leider musste er bereits mit 5 Monaten sterben. Er hatte gerade die ersten, ungeschickten Versuche, das Bein beim «Bislen» zu heben, gemacht. Man hat nicht herausgefunden warum er sterben musste. Vielleicht Parvovirose, obwohl er natürlich geimpft war. Er bleibt mir als kleiner, gewitzter Lausbube in Erinnerung. Wenn ich an ihn denke, muss ich sofort lächeln.

Dann durfte ich Pippa – vom gleichen Bauernhof – zu mir und meinem damaligen Lebenspartner holen. Pippa musste leider bereits mit 9 Jahren wegen eines weit fortgeschrittenen Hirntumors gehen. So viel könnte und müsste ich über Pippa schreiben, ihre fröhliche, unbeschwerte Art, ihre Spielfreude mit dem Guliguli (ein Ring, den man ihr immer werfen musste), ihr «Reden» und vieles mehr.

Pippa

Ich sehe sie noch vor mir, als die Tierärztin sie zum Röntgen mitnahm, wie sie zu mir zurückschaute. Den intensiven Augenkontakt vergesse ich nie. Es war, wie wenn sie Abschied nehmen würde und wüsste, dass sie sterben wird. Unvergesslich. Auch sie hat  – ebenfalls immer an meiner Seite – ein Loch in meiner Seele hinterlassen.

Jetzt ist Mira in unserem Leben. Seit 10 Jahren schon. Mira, die feinfühlige, empfindsame und neugierige Sheltiedame, mit der ich Mantrailing (Menschen suchen) bei einzig-dog-artig mache. Wir lieben es! Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, was diese wunderbaren Tiere alles können, welche unglaublichen Fähigkeiten sie haben, was für einen unvorstellbaren Geruchsinn!

Mira

Mit ihr habe ich auch die Ausbildung zur Therapiehündin (tiergestützte Aktivierung) bei juradog gemacht. Jetzt dürfen wir – nach dem coronabedingten Unterbruch – seit einigen Wochen endlich wieder ins Altersheim. Mit diesem Spiel- und Streicheleinsatz machen wir nicht nur den alten Menschen im Heim Freude, nein, auch Mira selber liebt es mit diesen Menschen zusammen zu sein. Sie liebt Menschen. Bedingungslos. Vertrauensvoll. Mira lehrt mich viel Subtiles, Einfühlsames, Feines. Ich bin so dankbar!

Ich darf gar nicht daran denken, dass Mira bereits 10 Jahre und 4 ½ Monate alt ist …

Herzlich
Ihre Iris Minder

P.S. Nicht vergessen: 1. Schweizer Krimifestival Grenchen vom 17. und 18. September 2021

3 Kommentare

  1. Ich bin selbst am überlegen, ob ich wieder einen Hund möchte. Knackpunkt: kann ich ihm wirklich neben meiner Arbeit, genügend Zeit und Aufmerksamkeit zukommen lassen.

    Dein Block ist wie immer sehr interessant und aufschlussreich.

  2. Als ich meinen Ältesten am 18. Geburtstag fragte, was ihn an seiner Kindheit am besten dünkte, sagte er nicht etwa, die selbst erzählten vielen Geschichten von Mutter, die vielen tollen Wanderungen, das gute selbst gekochte Essen, die besonderen Feste. Nein, er sagte sofort und spontan: die Katzen..
    So viel zum Stellenwert von Haustieren, darum kann ich deine Gefühle rund um Mira und ihre VorgängerInnen gut nachfühlen..Danke, Iris!

  3. Paco ist mir als Nachbarin in Schönbühl noch sehr präsent, hat doch Iris wie eine zweite Mutter unsere Kinder oft gehütet und wir im Gegenzug Paco, wenn Iris an der Uni war. Für unsere Kinder war Paco eine wichtige Bezugsperson und er ging bei uns ein und aus, sowie unsere Kinder in der Nachbarswohnung. Es war eine schöne Zeit!!! Noch heute, wenn ich Iris treffe, ist es mir eher fremd einen anderen Hund an ihrer Seite zu sehen.

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