Iris Minder

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E chly zrügg luege (28)

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Ich möchte heute mal über Geld schreiben. Das ist ja eigentlich für viele ein Tabuthema, vor allem für die, welche viel davon haben. Jetzt kommt mir gerade die Berner Aristokratin Madame de Meuron in den Sinn. Reich und sehr sparsam, wenn nicht sogar geizig. So löste sie konsequent kein Trambillett mit der Begründung: «I bi vor em Tram da gsi.» Fremde Leute taxierte sie mit der Frage: «Syt dihr öpper oder nämet dihr Lohn?»

Einschränkungen

Knapp bei Kasse zu sein, ist für mich eigentlich nichts Besonderes. Wie ich schon einmal in meinen Erinnerungen geschrieben habe, konnte mein Vater im katholischen Luzern als reformierter Lehrer nicht gewählt werden. Da in den 50er Jahren Lehrermangel herrschte, wurde er wenigstens als sogenannter «Verweser» (was für ein grausliches Wort!) eingestellt und das mit einem sehr tiefen Lohn. Für meine Produktion «Kinder der 50er und 60er Jahre» hat mir meine Mutter mal aufgeschrieben, wie das Familienbudget damals aussah:

Lohn: 610.-. Wohnung ohne Heizung: 190.-. Telefon, Radio, Steuern, Strom, Nebenkosten, Krankenkasse, Kleider: 270.-. Für Essen, Putz- und Waschmittel, Schule usw. für eine fünfköpfige Familie blieb dann noch 150.-. Oft kam es vor, dass meine Eltern Ende des Monats noch alle Taschen nach Rappen durchsuchten, um über die Runden zu kommen. Sackgeld lag für uns Kinder nicht drin.

Ich erinnere mich, dass ich einmal an einen Geburtstag bei einer gutbetuchten Familie eingeladen worden war. Als ich meine Mutter um Geld für ein Geschenk bat, verweigerte sie es zuerst und gab mir dann widerwillig ein paar Rappen. Damals war «Gummitwist» aufgekommen. Ein ganz tolles Spiel für Rhythmus, Geschicklichkeit und Körperbeherrschung. Das bisschen Geld reichte gerade für ein äusserst bescheidenes Wäscheseil, das man dann für dieses Spiel hätte brauchen können. Ich spüre noch genau die Reaktion, als ich dieses Geschenk überreichte: Abwertendes Kopfschütteln. Ich schämte mich grauenhaft. Und weil ich ein wildes Kind war und nicht so gesittet, hatte die Mutter dieser Schulkollegin ihr verboten, mich weiter einzuladen.

Aber auch später, während meiner Zeit im Studium in Bern anfangs der 70er Jahre, musste ich genau rechnen. Ich erinnere mich, dass ich mich so häufig es nur ging, zum Blutspenden anmeldete, weil ich dann ein Essen sparen konnte. Es gab immer ein grosses Sandwich und ein Getränk. Ich hatte dann sehr schnell eine Arbeit gesucht und konnte an einer Privatschule unterrichten. Mit meinem ersten Lohn gönnte ich mir den grössten Luxus, den es damals für mich gab: Geräucherter Lachs. Ich fühlte mich einen Moment wirklich wie im Schlaraffenland.

Als ich mich 1999 entschieden hatte, die sichere Arbeitsstelle als Leiterin des Amtes für Kultur in Grenchen aufzugeben und in die Ungewissheit der selbständigen Tätigkeit als Bühnenkünstlerin zu springen, war mir bewusst, mich einschränken zu müssen. Und so war es dann auch und ist es bis heute: Ein Pendeln leicht über bis leicht unter dem Existenzminimum. Aber: Ich fühle mich privilegiert, dass ich die Arbeit machen kann, die mich glücklich macht, zufrieden. Dass ich das leben kann, was mir voll und ganz entspricht. Und das ist ein grosses Geschenk und Privileg und nicht zu vergleichen, mit all denen, die heute verzweifelt schauen müssen mit irgendeiner Arbeit über die Runden zu kommen.

Working poor

Wir leben in einer Zeit der grossen Umbrüche: Krieg, Energiemangel, Rezession mit teureren Lebensmitteln, steigende Krankenkassenprämien, Mieterhöhungen. Das bedeutet für viele sich einschränken zu müssen. Ganz schlimm ist es für all die Arbeitenden mit einem Mindestlohn, teilweise mit weniger als Sozialhilfeempfänger: Familien oder alleinerziehende Frauen und Männer, aber sicher auch Singles. Wie soll jemand beispielsweise eine dreiköpfige Familie mit Fr. 3000.- im Monat ernähren, Steuern, Krankenkasse, Miete, Nebenkosten, Kleidung, Schulausflüge, Billette usw. usw. bezahlen können? Es wäre zu wünschen, dass die Politik ein paar wenige der Milliarden, die sie in Firmenerhalte investieren, für ihre Bevölkerung, die Menschen ihres Landes einsetzen würden. Ja, vielleicht könnte man ein Militärflugzeug weniger kaufen und das Geld dort ausgeben, wo es ums Überleben geht.

Was ich nicht so ganz verstehe, ist, wer bekommt eigentlich das viele Geld, wenn Gas- und Ölpreise immer höher steigen? Da müssen doch ungeheure Gewinne irgendwo sein! Und da komme ich wieder zurück zu den sogenannten «working poor». Die und alle anderen bezahlen durch die Preissteigerungen den Gewinn, den jemand aus dieser absurden, in die Höhe drehenden Preisspirale, sich anhäufen kann. Ich verstehe nicht viel von dem allem. Aber läuft da nicht etwas falsch?

Und wenn ich schon dabei bin: Völlig absurd erscheinen mir die Milliarden, die eingesetzt werden, um einen Meteoriten abzuschiessen. Dies im Hinblick darauf, dass irgendwann, eventuell, möglichweise, unter Umständen ein solcher auf die Erde fallen könnte. Dabei braucht unsere Welt jetzt Hilfe, weil sie jetzt zerstört wird. Das ist doch die reale und aktuelle Gefahr, die mit Milliarden angegangen werden könnte. Aber das ist halt nicht so effektvoll wie so ein Abschuss im All. Spieltrieb von Wissenschaftlern?

Und wie wäre es, all das viele Geld in den Frieden zu investieren und das Kriegen sein zu lassen?

Liebe Grüsse
Ihre Iris Minder

 

4 Kommentare

  1. Geschätzte Frau Minder,
    danke für ihren sehr pointierten Artikel.
    Sie dürfen sich im Namen ihres Vaters mehr als geehrt fühlen.
    Denn in diesem Jahrz.besass die von Ihnen nicht explizit benannte Industriegemeinde
    die besten Schulen i.d.ganzen Zentralschweiz-heute sollen es die von Baar/ZG.
    Auch meine Wenigkeit (Jg.1942) erlebte eine böse Erniedrigung am gleichen Wohnort ihrer Familie,bei meiner Bewerbung als Ministrant.Ein schroffes Nein kam herüber – ohne welche Begründung.
    Jahre später vernahm ich von unserer Mutter,sie sei unbewusst Schuld an diesem priesterlichen
    Entscheid gewesen.Sie hätte niemals sagen dürfen,das sie vom ref.zum kath.Glauben vor der Heirat konvertierte.Natürlich nicht im luzernischen,sondern in Frauenfeld 1931.
    Im Nachhinein war ich nicht lange traurig.Da ich nicht fast alle Wochenende wie meine ausgewählten Kollegen zu Kirchendiensten auf Abruf bereit sein musste,konnte ich mein erstes Sackgeld als Küchen-/Kellerhilfskraft in einem damals best renomierten Landgasthof verdienen.
    Vermutlich ebnete mir rein zufällig die christliche”Wahlpanne” eine fast 60 jährige Karriere als Koch im In-und Ausland-u.a.Hochsee und zuletzt in einem grossen inländischen Spital.

  2. Wahr gesprochen (geschrieben) liebe Iris……
    Ich gehöre zu den „Privilegierten“ für die Ihre Arbeit Berufung ist und kein Brotjob. So gesehen geht es mir weitaus besser als ganz, ganz vielen Menschen.

  3. Ja, ich empfinde das Thema Geld das grösste Tabu-Thema, das wir haben. Mehr als Sex. Was ich besonders fatal finde ist die Tatsache, dass das Thema Geld so schnell zur Heuchelei und zum Lügen führt. So wird zum Beispiel von sehr vielen Leuten kaum erwähnt, dass im Hintergrund zu ihrem Berufslohn noch ein fettes Erbe eingelagert ist, oder als “Häuschen” wie man das dann nennt, irgendwo im Tessin steht.
    Ich habe lernen müssen, dass Menschen die Frage nach dem Verdienst, ja, sogar nach dem Wohnungszins, als sehr intim empfinden. Und ich finde, dass es auch bei den jungen Menschen nicht anders ist. Ich bedauere dieses Phänomen sehr, weil es uns Menschen nicht gut tut. Die 5 jährige Enkelin spielt “Verchäuferlis” mit mir. Sie verkauft, ich komme posten. Als ich erschreckt sage: ui, etz hani ja gar kei Geld, sagt sie: isch glich, ich bi en Lade ohni Gäld, das isch sowieso öppis blöds….
    Ob sie schon etwas gemerkt hat?

  4. Liebe Iris,
    ist mir doch dein Blog wieder ins Laptop geflattert, dazu doch noch ein Kommentar, ist ja so vielsagend dazu kommt mir verschiedenes in den Sinn, was
    das liebe Geld anbelangt. Ich erinnere mich noch als mein Vormund mich in der
    Schule besuchte und ich keine Finken hatte. Meine Grosseltern hatten kein Gelde
    mir welche zu kaufen, was mein Vormund veranlasste mich zu beschimpfen. In späteren Jahren, als wir vor 62ig Jahren jung verheiratet waren, war mein Zahltag nicht ein Freudentag. Ich machte mir schon Pläne was ich alles kaufen
    wollte, doch meine Frau holte mich auf den Boden zurück, da sie die Finanzen
    besser im Griff hatte. Mir kam dann immer der Song von Hazy Osterwald in den Sinn: Gehn sie mit der Konjunktur, gehn sie mit auf dieser Tour, Geld ist der beste Kitt auf dieser Welt, wenn man davon genügend hat. Das war lange
    auch meine Devise. Doch nun mit dem Alter, wo es uns finanziell gut geht, setzt
    man andere Prioritäten und wir stellen fest dass Gesundheit das grösste Gut ist
    zu der man Sorge tragen muss. Da sind die Bazeli nicht mehr so wichtig.

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