Iris Minder

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Guten Tag, liebe Leserinnen und liebe Leser

Letzte Woche habe ich mich endlich um das Speichern meiner vielen DVDs gekümmert und sie auf eine externe Festplatte gespeichert. Ich wollte das bereits seit einem Jahr machen, scheute mich aber davor, weil es mir viel zu kompliziert erschien. Einmal angefangen jedoch war es simpel, problemlos. Einmal mehr hat sich bestätigt, dass die Vorstellung von den Dingen manchmal viel schlimmer ist, als die Dinge sich dann zeigen. Neben vielen Theaterproduktionen lagen natürlich auch die Videos auf DVDs von allen meinen Freilichtspielen vor, von Grenchen und Schloss Landshut.

Nur eines fehlte, das, was mir sehr viel bedeutet. Es ist DIE EULE, mein allererstes Grenchner Freilichtspiel im Jahr 2003. Ich war sehr traurig darüber. DIE EULE war für mich sozusagen der Startschuss für bis jetzt 21 Jahre fulminanter, kreativer und lebendiger Theaterarbeit, was für mich nichts anderes als ein erfülltes Leben bedeutet hat, und es immer noch tut. Ausgerechnet dieser Beginn fehlt als Videodokumentation.

Da habe ich mich erinnert, dass mir Edi Fiechter, der als Spieler bei allen Freilichtspielen dabei war, bis zu seinem Tod mit 91 im Jahr 2014, alle seine gesammelten Papiere und Medien «vererbt» hat. Sofort schaute ich nach und siehe da: Eine VHS-Kassette mit der professionellen Aufnahme durch Markus Walther. Bei Foto Ryf konnte das noch gut erhaltene Video auf einen USB-Stick übertragen werden. Jetzt habe ich meine «Eule» wieder. Wenn ich daran denke, grinse ich vor mich hin. So auch jetzt, wenn ich das schreibe. Der Beweis meines Starts in ein faszinierendes und mir rundum entsprechendes Arbeiten liegt wieder vor. Toll!

 

 

Vorfreude auf die Fotos

Dass es technisch überhaupt möglich ist, so eine alte Kassette noch zu lesen und auf ein modernes Medium zu übertragen, hat mich nachdenklich gestimmt. Was für eine immense technische Entwicklung ich miterleben durfte. Wenn ich nur schon ans Fotografieren denke.

Eine Spiegelreflexkamera war zu meiner Zeit als Kind ein grosser Luxus. Ich erinnere mich noch daran, dass mein Vater so eine Kamera besass. Sie hatte eine Schutzhülle aus ockerfarbigem Leder. Bevor man fotografieren konnte, musste man die Druckknöpfe lösen. Ein Teil der Hülle schwappte dann nach unten und das Objektiv war frei zum Fotografieren. Vor allem konnte man Fotos in Schwarz/Weiss machen. Eine entsprechende Filmrolle musste jeweils eingespannt werden. Ich glaube links die neue Rolle. Dann zog man daran und führte sie rechts in eine Rolle mit einem Schlitz. Dann machte man das Gehäuse zu und drehte oben an einem Knopf, um den Film noch fertig einzuspannen. Ich weiss nicht mehr genau, aber es gab Filmrollen mit 24 und 36 Bildern. Wenn der Film fertig war, musste man alles zurückdrehen.

Dann brachte man die Rolle mit dem belichteten Film zum Fotografen. Nach einer Woche konnte man sich die Bilder dann holen und wartete gespannt und voller Vorfreude auf die Fotos. Da fotografieren sehr teuer war, hat man ein einziges Bild von einem Sujet gemacht und sich dabei gut überlegt, ob man es fotografieren will oder nicht. Und heute?

 

Fotoflut

Anfang Januar hatten wir so viele eindrückliche Wolkenbilder, Lichtstimmungen und aufregende Sujets bestaunen können. Ich musste mich wirklich zusammennehmen, nicht dauernd mit meinem Handy die Stimmung festzuhalten. Sicherheitshalber schiesst man gleich mehrere Bilder einer eindrücklichen Situation. Man kann ja alles gleich wieder löschen.

Grossartig, was man heute alles festhalten kann und das völlig problemlos und ohne grosse Kosten. Etwas aber fehlt: Diese Vorfreude auf das Resultat. Dieses Gefühl von was Besonderem. Fotos sind einfach Massenware geworden, sind selbstverständlich.

Was vielleicht auch etwas verloren gegangen ist: Dass man einen berührenden, wunderschönen und ruhigen Moment nicht mehr wirklich in diesem Moment geniesst, sondern es gleich festhält, um es später dann anzuschauen und zu geniessen. Später? Auf dem Handy? Zwar ein schönes Foto, Sonnenauf- und Untergänge en masse  … aber dieses Innehalten und Geniessen eines Momentes ging und geht verloren. Handy zücken, festhalten, später, irgendwann, wenn man Zeit hat … dann wird man geniessen … Ja??? Und jetzt in diesem Moment hat man keine Zeit?

Widerspreche ich nun meinen Überlegungen, wenn ich mich so über den Erhalt des Videos meiner «Eule» freue? Ich denke nicht. Wir sind nicht herumgelaufen und haben eine Aufnahme nach der andern gemacht, um es später dann auf dem Handy zu erleben, denn die Freude über das erste Freilichtspiel, das ich vor allem auch dank der Mitorganisation von Doris Durrer durchführen konnte, haben wir Moment für Moment erlebt und gelebt.

Ich wünsche Ihnen allen jetzt schon bald am Ende des ersten Monats des Jahres 2024 alles Gute und hoffe, Sie können viele Momente jeweils sofort geniessen und als Erinnerung im Kopf, im Herzen und in der Seele festhalten. Ich werde es versuchen. 😉

Herzlich Ihre Iris Minder

6 Kommentare

  1. Merci für deine Gedanken, die total nachvollziehbar sind. Das Festhalten-wollen von speziellen Momenten ist wirklich sehr oft fragwürdig, da man durch das „Einrahmen“ einer Szene das ganze Erlebnis limitiert, und sich davon distanziert.
    Ganz herzliche Gratulation fürs Finden und Retten deiner „Eule“!!! Könntest du das mit uns teilen?

  2. Liebe Iris, habe mir einmal Zeit genommen den neuen Blog von dir zu lesen.
    Auch wenn ich zum Inhalt keine grosse Beziehung habe, bewundere ich
    deine Arbeit und Initiative, Chapeau.
    Bei mir, (uns) gehts dem Alter entsprechend gut, Helena hat viel mit nähen zu
    tun und schneidert schöne Kinderkleider für Bekannte. Bei mir sind es noch
    immer alte Sachen, welche ich mit unserer, Freundin, (fast Schwiegertochter)
    auf dem Markt anbiete. Laut Margrit Ischi soll es ja bald eine Zusammenkunft
    geben, wir freuen uns darauf. Liebi Grüss, Hermann und Helena

  3. Liebe Iris
    Du triffst den Nagel auf den Kopf! Das ewige Fotografieren, Filmchen drehen usw. führt dazu, dass wir nicht mehr den Moment geniessen und innere Bilder schaffen, von denen wir dann später wirklich zehren können!
    Herzlicher Gruss
    Doris

    1. Liebe Doris
      Danke für deinen zustimmenden Kommentar. Ich habe das ja nicht einfach geschrieben, weil es andere tun … ich muss mich da selber immer wiedere an der Nase nehmen. Aber: Ich bin auf gutem Weg. Herzlich Iris

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