Iris Minder

Blog

Ein ganz gewöhnlicher Donnerstag

Ich habe Lust, etwas über einen gewöhnlichen Tagesablauf von mir zu schreiben. Wobei «gewöhnlich» nicht so ganz stimmt, weil jeder Tag sich irgendwie wieder anders präsentiert.

Erinnerung an ein gestriges Gesprächsthema

Beim Erwachen ist mir sofort ein Gespräch mit meiner Freundin aus Zürich in den Sinn gekommen. Vielleicht deshalb, weil ich thematisch davon träumte? Der Traum ist allerdings verflogen. Ich gebe mich noch der Erinnerung an dieses Gespräch hin. Wir diskutierten über die Unverbindlichkeit, welche heute immer mehr das Gesellschaftliche prägt. Man sagt zu, weil es einem gerade Lust und Freude macht. Man will auf keinen Fall etwas verpassen und alle Optionen offenhalten. Wenn es konkret wird, zieht man sich wieder zurück. Etwas anderes ist gerade interessanter, wichtiger. Viele meinen, es sei ein Phänomen der jungen Instagram-Youtube-whatsapp-Generation. Aber es ist eine Erscheinung über alle Generationen hinweg. Für Leute, denen eine Zusage, ein Versprechen, eine Abmachung noch etwas gilt, ist dieses Verhalten oft mehr als nur schwierig. Man stellt sich darauf ein, plant und richtet sich danach. Dann hört man Rechtfertigungen wie «mein Mann halt..» oder «ich habe halt so viel um die Ohren» oder «Du verstehst es sicher». Nein, das versteht man nicht. Wie soll man verstehen, im Stich gelassen zu werden, sich auf etwas gefreut, sich auf etwas vorbereitet zu haben, das man als Abmachung verstanden hat und das nun einfach nicht mehr gilt, weil etwas Anderes interessanter ist? -Das versteht man nicht.

Das Zmorge

Aber jetzt ist es Zeit aufzustehen. Freudig stelle ich fest, dass mein Hexenschuss, der mich seit Sonntag plagt, verschwunden ist. Liebevoll ist von Susi mein tägliches Müesli (geraspelter Apfel, Natureyogurth, Eiweisspulver und etwas Leinöl) bereits vorbereitet und steht auf der Terrasse auf dem Tisch. Dazu gibt es durch den Kaffeeautomaten einer Firma, für die der grösste Schweizer Tennisspieler Werbung macht, frisch gemahlenen Kaffee. Diesmal eine Sondermischung, die ich gestern in Zürich erworben habe. Mit Schokolade! Mmmh! Aufstehen – Mist! – der Hexenschuss ist wieder da! Und ich habe mit Mira Einsatz im Altersheim! Ich nehme das Schmerzmittel, das ich vom Hausarzt erhalten habe, und lege mich nochmals hin.

Im Liegen kreisen die Gedanken. Ich müsste ja wieder mal einen Blogbeitrag schreiben. Da kam mir die Idee den heutigen Tag als Thema zu nehmen. Ich formulierte bereits ein paar Sätze (die ich inzwischen – es ist 12.30 Uhr – bereits wieder vergessen habe, dabei waren sie so was von gescheit und gut formuliert!)! Dann kam mir in den Sinn, dass ich heute ja zum ersten Mal nach drei Jahren wieder Kindertheater BLITZ habe. Nadja geht für ein halbes Jahr nach Kanada und hat mich gebeten, mit den Kindern während dieser Zeit zu arbeiten. Es wurde mir etwas mulmig. Eigentlich freue ich mich riesig darauf, aber da sind halt auch meine ewigen Zweifel. Ich bin 67 Jahre alt und frage mich, ob ich es wirklich noch schaffe mit zwölf quirligen Kindern zu arbeiten? Auf jeden Fall habe ich Lust dazu. Aber es gibt noch einiges vorzubereiten. Dafür nehme ich mir den ganzen Nachmittag Zeit: Übungen, Spielszenen und Programm für die Vorstellungen im Januar überlegen, Namenliste erstellen und die Kursdaten überarbeiten. Plötzlich merke ich, dass es bereits nach 9 Uhr ist und um 10.15 Uhr beginnt der Einsatz im Altersheim! Tempo. Tempo. Tempo. Und der Rücken plagt mich immer noch, nicht heftig, aber doch so, dass ich es merke!

Einsatz im Altersheim

Im Pflegeheim Ischimatt war wie immer alles vorbereitet. Erwartungsvoll warteten die alten Menschen in der Runde auf Mira. Der Einsatz ist zwar anstrengend, aber es tut nicht nur den Menschen gut, die mit Mira spielen und sie streicheln können. Es gibt mir ganz persönlich sehr viel, vor allem, wenn man die Freude spürt, die Mira mit ihrer lieben Art bereitet. Ich liebe diese Einsätze. Ein sehr dementer Mann, der völlig in seiner Welt lebt und bisher immer mit geschlossenen Augen da sass, öffnete die Augen, streckte die Hände aus um Mira zu berühren! Ich merkte, dass er für einen kurzen Moment aus seiner Welt auftauchte und ein bisschen mit dabei war. Es war für mich berührend und zeigte mir, dass Mira wirklich etwas bewirken kann, auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist.

Und so geht es weiter …

Jetzt ist Mittag und ich schreibe in meinem Theater Gänggi an diesem Blog. Meine Finger kleben an den Tasten, weil es dermassen schwül ist. Ich mag diese Hitze nicht, ja, ich leide  echt darunter. Sie schränkt mich ein und es stresst mich, dass ich ihr nicht entfliehen kann. Mir macht auch die Trockenheit Angst, die Tiere, die darunter leiden, die Wälder mit den verdorrten Bäumen (bei einer Fahrt durchs Rheintal bei Chur sah man so viele völlig braune Waldabschnitte, dürre Felder).

Es finden gleichzeitig mit dem Schreiben verschiedene Telefonate mit meiner Schwester betreffend unserer bald 93jährigen Mutter statt. Sie ist seit drei Wochen wieder im Spital. Wird sie wieder nachhause gehen können? Pflegeheim: Was für unsere lebenshungrige und freiheitsliebende Mutter mit einem unglaublichem Lebenswillen der Tiefschlag sein könnte. Oder kann sie morgen Abend doch noch in ihr heissgeliebtes KKL zu einem Festwochenkonzert? Wie geht es weiter? Der Abschied naht. Wir begleiten sie.

So, jetzt hole ich mir ein Mittagessen, geniesse es und freue mich darauf, mich auf die BLITZ-Kinder vorzubereiten. Dann freue ich mich darauf, die Textbücher fürs Freilichtspiel 2019 “Romeo und Julia” abzuholen. Das ist für mich immer ein besonders emotionaler Moment.  Ab 17 Uhr werden wir – die BLITZ-Kinder und ich – in der Sonderschule Grenchen, wo das Kindertheater seit nunmehr 16 Jahren Gastrecht hat, zusammen spielen und uns mal überhaupt kennen lernen. Toll!

Alles Liebe
Ihre Iris Minder

Foto: mein neues Gänggi-Logo, kreiert von Martin Schaad

P.S. Mist! Beim Aufstehen gerade vorhin hat die Hexe wieder geschossen. Ich kann nur noch im 45 Grad-Winkel gehen. Nochmals eine Tablette … und die Hoffnung, dass es bis zum Kindertheater heute Abend besser geht.

9 Kommentare

  1. Meine 85j. Mutter sagte auf meine Frage, was ihr rückblickend in ihrem Leben am wichtigsten war: “Die Liebe und der ganz gewöhnliche Werktag”..Du hast es mit deiner Beschreibung auf den Punkt getroffen und mich gwunderig gemacht, was mir der heutige Tag anbietet. Ich will es bewusst erleben. Danke für deinen Anstoss.

  2. Liebe Iris – Merci für die Zeilen; schön so was am Freitag Vormittag zu lesen; für mich grad ne kleine Auszeit! Dir wünsche ich gute Besserung! LiGru L

  3. Dir gute besserung mit deiner hexe. War richtig schön deine mutter zu sehen auch wenn der aufenthalt und die krankheit nicht so schön sind. Wär hätte das gedacht in diesem alter noch so gut auszusehen . Liebe grüsse elisabeth

  4. Unverbindlichkeit: Kann ich nicht akzeptieren, ist es nicht eine Unart und ein Zeichen der Respektlosigkeit?

    Hexenschuss: Vor allem Frauen zwischen 30 und 50 Jahren sind betroffen (gegoogelt), liebe Iris, gibst du ein falsches Alter an?

    Mutter 93 Jahre alt: Ich kann mich sehr gut in sie versetzen, ich käme mir auch vor wie ein Kanarienvogel, der in einem Minivogelkäfig gefangen ist und seine Flügel nicht mehr gebrauchen kann. Liebe Iris, ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass sie in ihre 4 Wände zurückkehren darf …

    Ganz rasche Genesung ( schick die Hexe ins Pfefferland) und bleib immer wie du bist … eine wunderbare hochinteressante Frau …

  5. Liebe Iris, deine Mail habe ich gerade in meiner fünf Minuten Pause gelesen. Sehr interessant geschrieben. Hat mir richtig Spass gemacht dein Blog zulesen.
    Gute Besserung und bis glyy-:)

  6. Liebe Iris
    Frage mich immer wie du das Alles erledigst. Eigentlich kenne ich das auch. Lese so gerne Deine Berichte, Neuigkeiten und über deine Gefühle wie du darüber schreibst. Offen zu sein für Neues und
    Altes. Ich freue mich sehr auf deine neuen Projekte und mehr. Herzlich und viel Glück Tilly

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