Iris Minder

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Nostalgie

Ich habe es gewusst: Es bedrückt mich. Trotzdem habe ich es gemacht: in alten, uralten Fotos aus meinem Leben geschmökert.

Wie ist es dazu gekommen? Auf meinem Smartphone hatte ich verschiedene Fotoalben gespeichert: Theater, Familie/Freunde, Hunde, Zuhause, Ferien. Damit nichts passieren kann, hatte ich sie sichern wollen. Technisch hochbegabt, machte ich vermutlich was total Falsches,. Die Folge war, dass alle Alben gelöscht wurden. (Sie glauben es nicht: Gerade jetzt, wo ich das schreibe, läuft im «Treffpunkt» vom Donnerstag im Radio DRS1 genau zu diesem Thema eine Sendung! Synchronizität!).

Aber zurück zu mir. Nachdem ich den ersten Schrecken überwunden hatte, beschloss ich, alle meine Foto-CDs und die im PC gespeicherten Fotos zu durchsuchen und auf mein Handy zu beamen. Ja, ich holte sogar die alten Alben hervor aus der Zeit ohne digitale Fotos und scannte sie ein! Nun ist mein fotografisch festgehaltenes Leben auf meinem Handy.

Leider hat es auch viele Emotionen hervorgeholt: Verluste, Scheitern, Wehmut und Trauer um viel Verpasstes. Hätte ich es deshalb sein lassen sollen? Das Interessante ist, dass mir zu fast jeder Foto aus meiner Vergangenheit, meinem bisher gelebten Leben Geschichten in den Sinn kamen. Menschen wie auch meine Hunde sind sozusagen wieder aufgelebt. Eigentlich viele schöne und liebevolle Erinnerungen und trotzdem bleibt da eine grosse Wehmut, nostalgische Gefühle. Das ist mein Leben, meine Geschichte, die zu mir heute geführt hat. Vergangen, unwiederbringlich … und doch in einer anderen Form präsent.

Es gibt immer wieder Leute, die sagen, dass Geschichte und Vergangenheit für nichts seien. Mit diesem oberflächlichen und dummen Denken bin ich gar nicht einverstanden. Helmut Kohl hat es in einer Bundestagsrede auf den Punkt gebracht: «Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.» Nicht der Vergangenheit nachtrauern, aber sie kennen und als Teil seines Lebens sehen. Schön, wenn man das kann!

Wenn ich das auf meinen Beruf übertrage, dann heisst das für mich:

Ohne eine Vergangenheit, ein Werden und Wachsen zum Jetzt hin gibt es keine Geschichten und keine Figuren in Romanen oder Theaterstücken.

Beim Gestalten und Schreiben kommen meine eigene Vergangenheit, meine Beobachtungen, die Erfahrungen mit anderen Menschen, Erzählungen von anderen Menschen und vieles mehr ins Spiel. Alles Vergangene, Geschichte! Ein riesengrosser Fundus, aus dem ich bewusst und unbewusst schöpfen kann. Und wenn dann im Theater eine von mir gestaltete Figur zum Leben erwacht, geschieht wieder etwas Spannendes: Jeder Spielende gibt der Figur Kontur aus dem eigenen gelebten Leben, aus den eigenen Erfahrungen und Emotionen. Dem muss und darf ich als Regie folgen und so die Schauspielenden begleiten. Schlussendlich muss ich als Regie die als Autorin geprägten Figuren dem Schauspielenden überlassen und teilweise loslassen.

So hatte der Verlust der Fotos und das Sammeln aus allen möglichen CDs und Fotoalben doch noch sein Gutes gehabt: Die Erkenntnis, dass ich ohne eine Vergangenheit und Geschichte keine Erzählungen, Theaterstücke schreiben könnte und das Inszenieren auch an der Oberfläche bleiben würde.

Alles Liebe Ihre Iris Minder

5 Kommentare

  1. Liebes Iris,
    Einfach bewundernswert,wie Du
    schreiben und Dich ausdrücken kannst !
    Das zu Lesen macht viel Freude.
    Ebenso das Föteli von Deiner Hochzeit!!
    Herzlichst von Erika

  2. Liebe Iris

    Es ist spannend alte Fotos zu betrachten, die vergilbten, die zerschlissenen, Chamois mit Rand. Menschen begegnen uns aus der Kindheit, die längst in Vergessenheit geraten sind. Schade. Vielleicht müsste ich mal eine Klassenzusammenkunft organisieren, die letzte fand vor ca. 40 Jahren statt.

    Iris, wenn die Vergangenheit dein Jetzt prägt, sind wir, die Interessierten, Teil deiner Geschichte und du wirst so zu unserer Geschichte. Das finde ich spannend.

    herzlichst
    Sylvaine

    1. Hallo Iris, Nostalgie, finde ich immer spannend und interessant auch wenn es nicht immer nur Freude bedeutet. Danke für deine gute Geschichte, Gruss Hermann

  3. liebe Iris, ich durfte bei eurer Hochzeit im Dählhölzli dabei sein … du hast soooo bezaubernd in deinem Hochzeitskleid ausgesehen … ein Traum … ich sehe dich sofort wieder vor mir … begleitet und mitgefeiert haben die „süssen Seehunde“ …

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