Iris Minder

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Von Kürbissen, Büchern und Gegensätzen

Immer wieder fragen mich Leute, woher ich nur die vielen Ideen nehme. Ich kann dann jeweils nur sagen: Ich weiss es nicht. Sie fliegen mir zu. Irgendwoher. Ja, vermutlich bin ich auf eine Art immer offen dafür und schnappe sie auf. Es scheint mir, als ob man dauernd «auf Sendung» ist.

Man hört ein Wort, liest ein Geschehen, beobachtet ein Verhalten, riecht einen Duft, realisiert ein Geschehen, leidet an Reaktionen, betrachtet Menschliches, spürt Gefühlen nach, möchte etwas mitteilen … usw. usw. Ich könnte diese Liste nahezu unendlich weiterführen. Ich führe hier gerne drei aktuelle Beispiele an.

Am nächsten Freitag findet in Grenchen zum 21. Mal die «Gränchner Chürbisnacht» statt. Im Grenchner Tagblatt kann man lesen «traditionsgemäss». Das erfüllt mich mit einem Hochgefühl.

Warum?

Genau das ist mein Ziel gewesen, als ich 1995 die Idee dazu hatte. Ich war damals noch Leiterin des Amtes für Kultur der Stadt Grenchen. Meine Lizentiatsarbeit (heute nennt man sie Masterarbeit) an der Uni Bern behandelte den uralten Zibelimäret in Bern. Als Amtsleiterin wollte ich für Grenchen etwas Ähnliches für Grenchen schaffen, etwas das Bestand hat und das Potential zu einem Brauchtum zu werden. Damals sah man vermehrt wieder überall diese orangeleuchtenden Kürbisse auf den Feldern. Also, lag es für mich nahe für Grenchen ein Kürbisfest zu organisieren. Es sollte alle Elemente eines Brauches haben: Markt, Musik, Feuer, Essen und Trinken. Die Idee war da – übrigens ausgebrütet vor dem Einschlafen – jetzt musste sie umgesetzt werden. Rundum fand ich sofort ganz wunderbare Menschen, die sich begeistert zur Verfügung stellten mitzumachen. Eine Person möchte ich hervorheben – Belinda Schütz –, da sie die hervorragende Idee zu einem weiteren Brauchelement hatte, nämlich den Lichterumzug. Ein Brauch braucht ein festes Datum, deshalb hat man beschlossen, dieses Fest immer am letzten Freitag des Monats Oktober durchzuführen. Die erste Chürbisnacht war eingeschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes. Massen haben bis weit in die Nacht in Hochstimmung gefeiert und dies bei herrlichem Wetter. Jetzt steht die 21. Chürbisnacht dank engagierter Freiwilliger (ich bin schon lange nicht mehr involviert) vor uns, und sie ist zum Brauch geworden. Ein Brauch, von dem die meisten das Gefühl haben, er sei schon immer da gewesen. Genial!

Und zu Anfang war nichts anderes als eine Idee, leuchtende orange Kürbisse und eine Affinität zum Brauchtum.

Die Idee ein Buch zu schreiben entstand bei einem Spaziergang, bei dem ich plötzlich vor alten Mauern stand und dies mitten im Wald am Juraabhang. Es hatte für mich etwas Gespenstisches. Ich dachte damals – vor zehn Jahren –, dass dies eine tolle Geschichte werden könnte. Gleich hatte ich die ersten zwei Seiten geschrieben, aber dann stockte es. Als ich nach all den Jahren diesen Anfang wieder gelesen habe … schwupps … wusste ich einfach plötzlich wie es weitergehen sollte. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht musste es so lange in mir reifen, vielleicht war ich gerade offen dafür? Ich weiss es einfach nicht. Auf jeden Fall liegt «Das Schattenvermächtnis» (nur noch bei buchhaus.ch, isbn: 978-3-906082-56-1) nun vor.

Eine Ruine – eine Idee – zehn Jahre Ruhe – dann wird die Idee zum Buch!

Da gibt es ja meine Seniorenbühne. Sie heisst inzwischen theater, JAWOHLí. Bei einer Zusammenkunft im Juni hatten wir über eine weitere Produktion diskutiert. Nach vielen Vorschlägen wünschte sich die Truppe etwas zum Thema Gegensätze. Ich tat mich von Anfang an schwer mit diesem Stoff. Es kamen mir so Gedanken wie: ohne Gegensätze kein Leben. Tod und Leben. Liebe und Hass. Wünsche und Realität. Freude und Leid. Oben und unten. Gott und Teufel. Schein und Sein. Bei verschiedenen Treffen versuchte ich gemeinsam mit dem Team Gegensätze in ihrem Leben auf verschiedensten Ebenen zu eruieren. Beispielsweise: Gegensätze in ihrem Wesen, ihren Ansichten, in der Lebenserwartung, Schattenseiten und vieles mehr. Aber nach wie vor tat ich mich extrem schwer damit. Die einzige zündende Idee war, dass das Ganze in einer Alters-WG stattfinden sollte. Das war dann schon alles.

Ich suchte fast verzweifelt nach Tiefsinnigem, Philosophischem und Inhaltsreichem. Ich war blockiert. Trotzdem bin ich in Klausur gegangen, um abgeschottet und ohne Ablenkung ans Schreiben des Stückes gehen zu können. Was hatte ich doch für Angst, dass ich es nicht schaffe! Und dann geschah etwas Grossartiges. Ich begann einfach mal zu schreiben. Dann liess ich los und bin einfach darauf eingegangen, was da auftaucht und wie sich die Figuren zeigen wollen. Und nach 3 ½ Tagen lag das Stück vor mir, fertig zur Überarbeitung und zum Lektorieren. Es ist ganz anders geworden als im Kopf geplant. Etwas Fröhliches mit Improvisationen der Spielenden mit all dem, was sie als Schattenseiten von sich preisgegeben haben: Eine schrullige Truppe.

Die Frage, woher meine Ideen kommen, kann ich gerade am Beispiel des Stückes fürs theater, JAWOHLí nicht beantworten.

Vielleicht ist loslassen eines der vielen Zauberworte.

Im Übrigen: ich denke eine Idee zu haben ist nicht das Problem. Sie dann auch auszuführen, dort liegt die Arbeit, der Schweiss, die Verzweiflung, die Unsicherheit und der innere Kampf. Und in meinem Fall als Theaterschaffende braucht es Menschen dazu, die mitziehen, die sich begeistern können und meine Ideen dann auch umsetzen helfen.

Herzlich Iris Minder

11 Kommentare

  1. Sehr beeindruckend, was da im Inneren eines Menschen abläuft. Und, übrigens: Das Lesen Deines Blogs macht unheimlich Spass und nimmt einen “ine”. Toll!

  2. Ein sehr interessanter, spannender Blog. ich freue michschon auf den nächsten in 2 Wochen.
    Informativ für mich sind auch deine Gedanken zum Theater Jawohl. Ich freue mich schon sehr darauf.

  3. Liebe Iris, wir haben den Text über Deine schöpferischen Kräfte gerne gelesen. Wir wissen, wieviel Energie es braucht, alles in Schwung zu halten und, wie am Beispiel Kürbisnacht, tatkräftige Nachfolger zu finden, die sich dauerhaft begeistern. Wir fragen uns, ob Du manchmal auch ein ganz kleines Bisschen mit Dir zufrieden bist und Dich am Erreichten freust?
    Das wünschen wir Dir-neben weiteren guten Einfällen – von Herzen.

  4. Drei Themen, dazu spannend geschrieben. Ich mag das. So erfahre ich viel über Grenchen, sei es orange erleuchtet, oder gar Roland der am Berghang verschwand, wie grässlich! (Ich ziehe mir am nächsten Samstag das Katzen GPS übers Handgelenk) und die Intensität einer Frau, wenn sie für die Seniorenbühne schreibt… oder hat sie nicht geschrieben? Das wäre dann das Gegenteil.
    Iris Minder, die Perle in der Muschel die ich diesen Sommer fand. Danke.

  5. Man muss die Offenheit und Sensibilität besitzen, diese Ideen, welche einem “zufallen”, auch hören zu können und dann noch das Talent haben, diese so umzusetzen wie du es tust 🙂

  6. Die Idee mit dem Bloc finde ich sehr gut. Ich wollte schon immer mehr über deine Gedankengänge wissen! Auf den Beitritt in die schrullige Alters-WG und das Erarbeiten des Stückes im Theater-Team “Jawohl” mit dir als Regisseurin freue ich mich schon jetzt und bin sehr gespannt, wie es wird.

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