Iris Minder

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Was habe ich mir da wieder eingebrockt!

Eigentlich eine dramatische Aussage! Kennen Sie die auch? Wenn ich das ausrufe, dann tue ich es mit Augenrollen und einem Grinsen im Gesicht. So auch beim Szenenspiel «So ein handlich Weib».

Gerade kürzlich bin ich wieder mal so weit gewesen. Wie meine ich diese Aussage? Ist mir etwas zu viel oder zu streng oder zu aufwendig? Ich kann das aber mit Überzeugung verneinen. Ich sage es mit einem Schmunzeln über mich selber, freudvoll. Warum?

Letztes Jahr – es muss im Sommer gewesen sein – hat die Kulturgruppe Landshut mich mal unverbindlich angefragt, ob man 2018 wieder ein Szenenspiel im Schlosspark machen wolle. Ich war sofort voller Freude dabei und hatte auch schon einen Vorschlag. Warum nicht mal Gotthelf, der ja in Utzenstorf seine Kindheit verbracht und dort als Vikar bei seinem Vater gewirkt hatte? Aber mir ist etwas Eigenes vorgeschwebt, nicht etwas, was man überall in Theatern erleben kann.

Das Besondere an Szenenspielen ist es, dass der Zuschauer von Szene zu Szene geführt wird und sozusagen als Teil der dargestellten Welt mittendrin im Geschehen ist. Wegen der verschiedenen zu kreierenden Szenen kam mir die Idee, die vielen wunderbaren und hervorragend gezeichneten Frauenfiguren von Gotthelf vorzustellen. Mir schwebte vor, dass Gotthelf selber durch das Szenenspiel führt. Und da haben die Schwierigkeiten begonnen.

Monatelang habe ich hin und her überlegt, habe gezweifelt und bin fast verzweifelt. Ich habe gemerkt, dass ich Gotthelf einfach nicht gerecht werden kann. Wie spricht er? Welche Aussagen macht er? Wie sieht er selber die Frauen? Daran bin ich dauernd gescheitert. Gotthelf ist einfach zu übermächtig, zu gewaltig in seiner Sprache, in seinen Aussagen.

Ich habe dann all seine Romane wieder gelesen, bin Briefe von ihm durchgegangen, habe Sekundärliteratur zu Rate gezogen. Aber es ist eine Sackgasse geblieben. Dann habe ich mich daran erinnert, dass die Uni Bern eine Gotthelfforschungsstelle hat. An die habe ich mich gewandt und von Patricia Zihlmann viele Informationen erhalten, die ich dann in mein Gotthelfdossier eingeordnet habe, ohne vorläufig den entscheidenden Tipp zu sehen. Deshalb ist mein Zweifeln, ob ich Gotthelf gerecht werden kann, weitergegangen.

Dann ist der Termin, mich endlich ans Schreiben zu machen, immer näher gerückt und der Druck hat zugenommen. Nach der erneuten Durchsicht der Mails von Frau Zihlmann habe ich den Schlüssel zur Lösung meines Problems gefunden: «Vielleicht wäre ein Perspektivenwechsel hilfreich»! Das ist es! Nicht Gotthelf selber führt durch das Szenenspiel, sondern seine jüngste Tochter Cécile von Rütte-Bitzius! Gotthelf selber wird immer wieder auftreten und seine eigenen Texte lesen! Und ab jetzt ist alles wie am Schnürchen gelaufen. Das Stück ist geschrieben, die Rollen bereits verteilt und der Probenplan vom Spielerteam «genehmigt». Nun kann ich fast nicht mehr warten, endlich mit der Inszenierung zu beginnen.

Ein Perspektivenwechsel hat den Weg geöffnet. Vielleicht ist das auch ein Mittel, um Alltagsprobleme, diese lästigen «Spiraldrehgedanken», besser lösen zu können: ein Perspektivenwechsel!

Was habe ich mir da wieder eingebrockt: Riesige Arbeit mit Lesen und Recherchieren, schlaflose Nächte wegen der Ängste, dem grossen Dichter nicht genügen zu können, Zweifeln und Verzweifeln. Da habe ich mir wirklich was eingebrockt an Arbeit und Ängsten. Und doch bin ich überglücklich, habe ich mir das eingebrockt! Dank eines kleinen jedoch zentralen Tipps habe ich es geschafft und dies alles trägt Früchte!

Ich habe ein breites Grinsen im Gesicht, weil mir das «Einbrocken» ganz einfach Freude und Lust durch diese Herausforderung gebracht hat!

Ihre Iris Minder

6 Kommentare

  1. Habe deine Gedanken mit Genuss gelesen, heute Morgen früh. Zusammen mit dem saumässig guten Felsbrockenbild und Mira sind deine Gedanken geradezu eine sehr taugliche Ausrüstung ins neue Jahr. Perspektivenwechsel – ja, ein gutes, hilfreiches Werkzeug in unseren Lebensrucksack. Besonders zu empfehlen im Umgang mit Kindern!
    Danke, liebe Iris, und weiterhin diese grosse Freude! – Gertrud

  2. Perspektivenwechsel – das nehme ich so mit! Manchmal genügt schon ein Tag in der Natur, auf einem Berg am See … und der Blickwinkel verändert sich! So bleibt zu hoffen, dass ich in der nächsten (vermeindlichen) Sackgasse, einen “Trigger” finde, um die Perspektive zu wechseln! Merci Iris … dein Artikel war mein heutiger “Trigger” LP

  3. Wow! Deine Erkenntnis ist ein “über die Bücher gehen” im eigenen Leben wert! Wie oft ist man durch sein jahrelanges eigenes Denken und Handeln auf dem immer gleichen Weg. Umdenken, Perspektivenwechsel könnte da unter Umständen ganz viel Neues schaffen……. Danke für diese spannende Anregung!

  4. Ja Iris, was habe ich mir da eingebrockt, da gebe ich dir die Hand. Das sagte ich mir auch, als ich nach
    langer Theaterabstinenz bei dir wieder ja sagte bei der schrulligen Truppe einzusteigen. Es brauchte
    einiges an Ueberwindung, aber wie heisst es irgendwo, es ist doch spannend auch im Alter noch etwas
    Neues zu probieren, da bist du doch auch meiner Meinung? E liebe Gruess, Hermann

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