Vor genau zehn Jahren hat es angefangen! Damals im November 2008 habe ich das erste Szenenspiel erschaffen. Vom kulturhistorischen Museum Grenchen erhielt ich den Auftrag, etwas zu 90 Jahre Generalstreik zu kreieren. Und genau zu dieser Zeit lernte ich die Schauspielerin Sandra Sieber kennen.
So habe ich dann das erste Szenenspiel geschrieben und mit ihr inszeniert. Sandra Sieber hat auf dem Weg vom Löwen über die Absyte bis hin zum Bahnhof Nord in sieben verschiedenen Rollen diese Streikzeit mit drei Toten in Grenchen aufleben lassen. Ich erinnere mich schmunzelnd an den Besuch der Solothurner Regierungsräte und wie sie mit Fackeln, Bannern und den politischen Forderungen der Streikenden die Absyte hoch als Demonstranten freudig mitgemacht haben. (Übrigens: Im November wird diese Führung nochmals gezeigt und zwar anlässlich eines Gedenkanlasses für die drei am Ende des Generalstreikes getöteten Grenchner).
Der Erfolg dieses ersten Szenenspiels war so gross, dass bald darauf schon weitere Aufträge an mich herangetragen wurden. So durfte ich in Büren a. Aare bisher drei Szenenspiele realisieren: «Der erschwindelte Himmel» zur Geschichte der Taufe der toten Kinder im ausgehenden Mittelalter, «Jumpfer Kusterli» zu Menschen um 1900 aus dem Buch von Martin Stotzer und «Es stolzes Wärch» zum Concentrationslager in Büren um 1940. Szenenspiele in Grenchen: «Die Wilden Fünfziger Jahre» nach der Verleihung des Wakkerpreises, «Adolf Gschwind» im kulturhistorischen Museum, und «Auf den Wellen des Windes gleiten» zum 80. Geburtstag des Flughafens Grenchen. Szenenspiele beim Schloss Landshut/Utzenstorf: «Schlaflos auf Landshut» zur Geschichte des Schlosses und ihrer Bewohner» und in Solothurn: «Es liegt was in der Luft» im Auftrag der GA-Weissenstein zu 60 Jahre Kommunikationstechnik. Ich habe in diesen ersten zehn Jahren die Szenen ausgebaut, unmittelbarer, intensiver und erlebnisreicher gestaltet und daraus etwas Besonderes mit allen Sinnen Erlebbares kreiert. Ich liebe diese Art von Theater und freue mich auf jede Herausforderung. Kommt dazu, dass ich immer auf ganz wunderbare Spielende zählen darf.
Was ist eigentlich ein Szenenspiel?
Bei einem Szenenspiel sind die Besuchenden mittendrin im Geschehen, in einem Ereignis, in einer Handlung oder in einer anderen Zeit. Sie erleben die Figuren unmittelbar, direkt und authentisch, sind wie ein Teil der dargestellten Geschichte und agieren nicht nur als «Voyeure» wie bei einem althergebrachten Theater, wo die Handlung fernab vom sitzenden Zuschauer auf einer Bühne stattfindet. Das Erlebnis für die Besuchenden wird intensiver und nachhaltiger. Es findet eine tiefere und stärkere Interaktion zwischen den Figuren und den Zuschauern statt und somit auch eine tiefgehende Identifikation mit den Schicksalen der Menschen aus einer früheren Zeit, deren Freuden und Leiden, Sorgen und Nöten, Träumen und Einstellungen. Gemeinsam mit all’ den Menschen aus anderen Zeiten oder Schichten oder Herkunft spaziert der Zuschauer von Szene zu Szene. Er kann es einfach miterleben, kann zusehen, zuhören und auf diese Weise mit dabei sein. Wer möchte, kann jedoch auch ein Teil des Spiels werden und mittanzen, mitdemonstrieren, mitessen, mitreden. Das ist jedem Einzelnen völlig frei überlassen und alles hat seinen Platz.
«So ein handlich Weib»
In diesem Juni findet auf Schloss Landshut – als Kulturprojekt der Gemeinden der unteren Emme – erneut ein Szenenspiel von mir statt: «So ein handlich Weib», eine Hommage an Gotthelf. Der Zuschauer taucht ein in die Romane von Jeremias Gotthelf und begegnet auf dem Weg durch den wunderschönen Park des Schlosses vielen seiner einmalig gezeichneten und beschriebenen Frauenfiguren wie: Christine mit dem Teufel und von Stoffel, Elisi mit dem Baumwollhändler, Mädeli mit ihrem Schulmeister, Vreneli mit Ueli und Haguhannes, Elsi mit ihrem Peterli, Erdbeermareili und seinem Fräulein, Amtsrichterin mit ihrer Magd Lisbeth, Annebäbi Jowäger mit Hansli und Schnupfseckli, Grittli, Käthi die Grossmutter, sowie Lisi vom Zigerlihober. Die jüngste Tochter von Jeremias Gotthelf, Cécile von Rütte-Bitzius wird zusammen mit ihrem Sohn Walter Theophil die Zuschauer von Szene zu Szene führen. Auch Gotthelf selber wird sich die Ehre geben. Es wird getanzt, gelacht, gekeift, gestritten, geliebt und geweint. Und so kann man sich auf einen spannenden, überraschenden, witzigen, nachdenklichen, zu Herzen gehenden, aufregenden, fesselnden – ganz einfach auf einen einmaligen und unvergesslichen – Spaziergang zu und mit Gotthelf freuen. Im Anschluss ans Szenenspiel wird im Schlosshof oder im wunderschönen Schloss selber ein «Zimis» serviert.
Die Proben auf Schloss Landshut laufen auf vollen Touren und das Team ist äusserst motiviert und voller Freude. Letzteres ist ja auch gar nicht so schwierig, weil Gotthelf wirklich wunderbare Menschen, vor allem Frauenfiguren erschaffen hat. Es gibt auch ein paar Herausforderungen, vor allem, was den Dialekt anbelangt. So müssen Sandra, Miro und Silvia als Solothurner ein Patrizierberndeutsch lernen. Franco als Berner Baseldeutsch und Susi muss sich einen deutsch geprägten Schweizer Dialekt aneignen. Bei der Probe vom letzten Montag hat Jump-TV mit der Kamera ein paar Eindrücke eingefangen und verschiedene vom Team interviewt. Wir freuen uns auf diesen Film, der innerhalb des GAW-Netzes mehrfach ausgestrahlt werden wird. Den Link zu Youtube können wir Ihnen dann gerne mitteilen.
«So ein handlich Weib» findet zwischen 14. Juni und 7. Juli 2018 statt.
Vorverkauf: 032 666 42 60. Infos: www.jeremias-gotthelf.be und www.irisminder.ch
Die Wiederaufnahme des Szenenspiels mit Sandra Sieber zum Generalstreik findet im November 2018 statt. Gerne werde ich Sie zu gegebener Zeit informieren.
(Foto: Schlussszene von «Es stolzes Wärch», März 2017)
5 Kommentare
Allein schon die Fülle, geschweige denn die Inhalte, geben Zeugnis deiner persönlichen Gestaltungskraft, sowohl nach aussen wie nach innen. Und das sind alles Geschenke an die ZuschauerInnen, die in diesen Szenenspielen in jeder Beziehung einen Weg gehen. Und der Gotthelf-Stoff wird einmal mehr beweisen: nicht das Alter der Geschichten ist entscheidend, sondern die Echtheit und die Wahrheit des Inhalts. Sofort wird das Gesagte und Gespielte dadurch “modern” und aktuell. Danke, Iris, dass du uns immer wieder beschenkst.
Bravo
Ich habe alle Deine Szenenspiele gesehen und sie haben mich so beeindruckt, dass ich mich an jedes einzelne erinnere!
Erwartungsvoll freue ich mich auf die Nächsten und im Moment vor allem auf Landshut!!!
Doris
Super werde es den Jassfrauen weiterleiten
damit wir ein gemeinsames Datum finden.Edith
Ich ziehe meinen Hut vor so viel Ideenreichtum, Schaffenskraft und Experimentierfreude!