Gehören Sie auch zu denen, die Ende Jahr erschrecken, weil die Zeit so schnell vorbeigeht? Was, schon wieder ein Jahr vorbei? Oh je, wieder ein Jahr älter. Wie die Zeit fliegt!
Oberflächlich gesehen sieht man die Zeit auf einer Linie, also linear. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Oder man schaut auf die Uhr und voilà man hat die Zeit, die genaue. Passt gut in unsere Gesellschaft, in der alles bis auf jede Minute verplant ist. Vielleicht die Errungenschaft der Industrialisierung im 19. Jahrhundert.
Es gibt auch ein zyklisches Zeitverständnis. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Morgen, Mittag, Abend, Nacht. Zeit zum Säen, zum Ernten, zum Ruhen. Gerade Bauern und alle, die mit und in der Natur arbeiten, unterliegen diesem zyklischen Zeitempfinden.
Es kann auch ein ganz persönliches Zeitempfinden geben. Manchmal will und will die Zeit nicht vergehen. Man schaut dauernd auf die Uhr und erschrickt, dass erst ein paar Sekunden vorbei sind. Meistens kommt dieses Zeitgefühl auf, wenn man auf etwas warten muss, sei es auf eine Person, eine Nachricht, ein Ereignis, ein Resultat (Langeweile). Oder man geniesst ein Zusammensein, einen Anlass, eine Tätigkeit und vergisst dabei die Zeit. Was? Schon eine Stunde vorbei? (Kurzweile) Oder man erlebt etwas schockartig. Da meint man, die Zeit stehe still.
Wie nehmen Kinder die Zeit wahr? Wie Babys? Wie Erwachsene und wie demente Menschen? Wie nehmen Tiere die Zeit wahr? Mira zum Beispiel fordert immer genau um 18 Uhr ihr Znacht ein. Wie ist das möglich? Was ist mit der biologischen Uhr? Wie definiert die Neurologie die Zeit und das Zeitempfinden?
Für uns ist die Zeit eine Abfolge von Ereignissen. Diese Empfindung ermöglicht überhaupt unser Leben. Könnten wir einen Ablauf von Ereignissen nicht zuordnen, könnten wir gar nicht überleben. Ohne das könnten wir keine Entscheidungen fällen. Wir brauchen fürs Überleben eine zeitliche Ablaufordnung, um uns beispielsweise auch an Vergangenes zu erinnern und so eben Entscheidungen zu fällen. Es wird immer komplizierter, je tiefer man über Zeit nachdenkt.
Es gibt unter anderem auch eine physikalische Zeit, eine philosophische, eine wissenschaftliche, eine astrophysikalische, kosmische Zeit … Da gibt es eine Ephemeridenzeit um die Unregelmässigkeit der Erdrotation auszugleichen, dann gibt es die Eigenzeit des Baryzentrums des Sonnensystems oder die geozentrische Zeit also die Eigenzeit des Erdmittelpunktes.
Aber da muss ich sagen, dass das meine Auffassungsgabe übersteigt. Oder verstehen Sie zum Beispiel folgendes:
- Die Zeit ist nicht geschaffen, sie existiert vielmehr als eine Erfahrung, die der Geist bei Naturprozessen macht.
- Die Einsteinsche Relativitätstheorie beschreibt Raum und Zeit als untrennbar zusammengehöriges, gekrümmtes Gebilde. Je mehr Masse ein Objekt besitzt, desto mehr krümmt es den umgebenden Raum und verlangsamt gleichzeitig den Zeitfluss. Dies gilt auch für bewegte Objekte: Schneller bewegte Objekte unterliegen einem langsameren Zeitfluss als weniger schnell bewegte. (d.h in dem Fall: Für einen Jogger vergeht die Zeit nicht so schnell wie bei jemandem der langsam geht!)
- Stephen Hawking: Raum und Zeit sind untrennbar und ein Zeitfluss ohne Materie ist nicht vorstellbar.
- Noch unvorstellbarer ist für mich, dass, sollte ich mich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, die Zeit stillstehen würde.
Schwer zu verstehen … für mich auf jeden Fall!
Im Freilichtspiel «Uhregrübler» 2013 habe ich folgenden Text für die allegorische Figur Zeit geschrieben:
«Wann ist jetzt JETZT? Wenn doch jetzt gerade eben wieder vergangen ist! Und das Kommende noch nicht da ist? Jetzt ist: Schon wieder, nicht mehr und aber auch: noch nicht. Wie kann dann jetzt, dieser Moment Gegenwart sein?
Bin ich eine Linie auf der das eine aus dem andern folgt? Bin ich ein Rad, das sich unendlich dreht und dreht? Braucht ihr Bilder, um mich überhaupt zu erfassen? Bin ich eine Welle, die je nach Sicht einmal blau, einmal rot ist? Wie kann ich sowohl Anfang als auch Ende sein? Einfach da, wie der Raum?»
Es ist so schwierig zu verstehen, was Zeit wirklich ist. Darum bin ich der Meinung, dass man wirklich versuchen soll, jeden Augenblick zu geniessen, sich Zeit zu nehmen für sich, für unsere Lieben, fürs Geniessen von Kultur, für all die wunderschönen Dinge, welche dieses unser jetziges Leben auf dieser einzigen Welt uns schenkt und bietet.
In meinem Freilichtspiel im Jahr 2005 «Giigerain» meinte der Tod mit einer Sanduhr in der Hand dazu:
«Schauen Sie hin, meine Damen und Herren. Körnchen um Körnchen. Augenblick um Augenblick. Stetig. Unaufhaltsam. Sie rinnt, die Zeit, unbestechlich, nicht manipulierbar. Das Leben unserer Erde ein halber Flügelschlag eines Kolibris. Unsere Zeit auf Erden noch belangloser. Die Weile des einzelnen Menschen auf Erden kaum messbar auf der Uhr der Ewigkeit. Und doch so gewaltig, grossartig und wertvoll.»
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für das Jahr 2018 wertvolle, grossartige und gewaltige Stunden, Tage, Wochen, Monate!
Herzlich Ihre Iris Minder
Anhang
Ich möchte hier noch einen Ausschnitt aus der Bibel, Buch Kohelet, Kapitel 3 anfügen:
Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:
eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten / und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreissen / und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Steinewerfen / und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen / und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten / und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen / und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden.
Was auch immer geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen soll, ist schon geschehen und Gott wird das Verjagte wieder suchen.
5 Kommentare
… genau so ist es. Einstein ging sogar noch einen Schritt weiter, er sagte: Zeit ist eine Illusion … Trotzdem oder gerade deshalb: HAPPY NEW YEAR … mach weiter so, liebe Iris ..
Als Illusionisten fehlte uns die Zeit , nun habe wir Zeit jetzt die fehlen Illusionen !
Häppy Nöi Johr und blib Xung !!!
Orsani und Martina
Newsletter ist immer spannend zum lesen. Ich wünsche dir ein gutes Neues Jahr . Glück, Gesundheit, Sonnenschein sollen stets Begleiter sein. In diesem Sinne sende ich viele Grüsse. Regi
Welch spannende Newsletter. Danke Iris. Zeit sich Gedanken zu machen…
Geschenkte Zeit.
Einunddreissig Millionen fünfhundertsechsunddreissigtausend Sekunden hat ein Jahr. Ich kann gerne ein paar davon verschenken, zum Beispiel einem kranken Menschen oder einer betagten Person, meiner Familie, meinen Freunden und mir selbst.
Von Herzen wünsche ich allen Menschen eine gesegnete Zeit, und viele beseelte Momente im kommenden Jahr.
Sylvaine Kupferschmid
Ich danke allen für die immer interessanten und liebevollen Kommentare. Normalerweise antworte ich auf jeden Kommentar persönlich, was ich auch weiterhin so halten möchte. Ich freue mich immer SEHR über Kommentare, Überlegungen, Anregungen und liebevolle Gedanken. Danke, dass Ihr an meinem Blog interessiert seid. Alles Liebe!
Eure Iris